Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
Präsident. »Aber ich glaube nicht, dass es dazu kommt, jedenfalls nicht während meiner Wache.«
»Sie setzen Frieden und Sicherheit der gesamten Welt aufs Spiel, Thomas.«
»Die Welt kann sich Frieden oder Krieg wünschen, Robert, sie bekommt jedenfalls, wofür sie sich entscheidet«, sagte Thorn. »Meine Aufgabe ist es, die Vereinigten Staaten zu schützen und zu verteidigen. Ich werde Amerika zu einem leuchtenden Beispiel für eine starke, friedliebende, demokratische Nation machen und andere einladen, sich uns anzuschließen. Ich werde unsere Armeen nicht ausschicken, um anderen unsere Vorstellungen von einer idealen Gesellschafts- oder Regierungsform aufzuzwingen.«
Robert Goff senkte kopfschüttelnd den Blick und betrachtete seine Hände, dann die Akten auf dem Schreibtisch des Präsidenten – nur um seinem Freund nicht in die Augen sehen zu müssen. Thorns Argumente hatten ihn keineswegs überzeugt, aber er wusste, dass es zwecklos gewesen wäre, sie widerlegen oder ihn umstimmen zu wollen. Deshalb war er überrascht, als der Präsident ihm jetzt eine Hand auf die Schulter legte. »Alles in Ordnung, Bob?«, fragte er halblaut.
Erst jetzt erwiderte Goff seinen Blick. »Ja, Mr. President«, sagte er.
Obwohl Thorn sichtlich enttäuscht war, als er diese Antwort hörte – unter vier Augen nannte Goff ihn kaum jemals »Mr. President« –, lächelte er herzlich. »Kann ich noch auf Sie zählen?«, fragte er.
»Das können Sie, Thomas«, bestätigte Goff. »Und wenn’s nur dazu ist, Ihnen zu helfen, die Scherben zusammenzukehren.« Damit stand er auf und verließ das Oval Office, ohne ein weiteres Wort zu sagen.
Thomas Thorn setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, blätterte in einigen Akten, ohne richtig wahrzunehmen, wovon sie handelten, und zog sich dann in sein Arbeitszimmer zurück. Er führte mehrere Telefongespräche, sprach kurz mit seiner Sekretärin, drückte dann auf die Taste Bitte nicht stören an seinem Telefon, lehnte sich im Sessel zurück, schloss die Augen und begann mit tiefen Atemübungen. Er befahl seinen Muskeln, sich nacheinander zu entspannen, und ließ sein Mantra leise durch seinen Kopf hallen, bis alle bewussten Gedanken sich allmählich verflüchtigten.
Viele Leute, die nur nebenbei meditierten, bezeichneten dies als sehr intensives »Nickerchen«, aber Meditation war viel mehr als nur eine Periode kurzzeitiger Entspannung. Der transzendentale Zustand war ein Zeitraum, in dem das Unbewusste freigelegt wurde und das Bewusstsein sich zugleich ungehindert ausbreiten und die weiten Gebiete erkunden konnte, die ihm normalerweise verschlossen waren. Das war etwas völlig anderes als ein Nickerchen, und tatsächlich war Meditation nie als Ersatz für Schlaf gedacht gewesen. Ganz im Gegenteil: Der transzendentale Prozess war kräftigend und belebend, weil das freie Herumstreifen des Bewusstseins auf dem weiten Energiefeld des Unbewussten Geist und Körper mit ungeheurer Kraft erfüllte. Das ließ sich mit einem Rennpferd an der Longe vergleichen: Es fühlte sich nicht ausgesprochen unwohl, wenn es nur einen Kreis mit sechs Metern Radius beschreiben konnte; viel lieber galoppierte es im Training oder im Rennen auf einer eineinviertel Meilen langen Bahn. Ließ man es jedoch aufs freie Feld hinaus, verwandelte das Pferd sich in ein völlig anderes Tier – impulsiv und unermüdlich und fast wild. Der menschliche Verstand verhielt sich ganz ähnlich.
Zugleich fand dabei ein Austausch statt. Viele Gedanken, Erfahrungen und sogar Realitäten existierten im Unbewussten, und der transzendentale Zustand setzte diese Energiewellen frei. In dieser Beziehung war jede Meditation eine belehrende Erfahrung: eine Methode, alle möglichen Ereignisse noch einmal zu durchleben, vorauszuleben oder sogar sekundenschnell eine ganze neue Existenz zu erschaffen.
Wie bei jeder Betätigung kann der menschliche Geist jedoch ermüden, wenn man ihm allzu lange die Zügel schießen lässt, deshalb rief Thorn ihn mit einer durch jahrelange Übung und Disziplin erworbenen Leichtigkeit in die bewusste Welt zurück und ließ die Tür zum Unbewussten wieder zufallen. Das war kein betrübliches oder widerstrebend zugelassenes Ereignis. Er wusste, dass er diese Tür bei Bedarf jederzeit erneut aufstoßen konnte, um Zugang zu unerschöpflichen Energiepotenzialen zu erhalten.
Aber das Reich des Unbewussten barg eine alternative Realität, die er sich geschaffen hatte, um das Universum seiner selbst zu erforschen:
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