Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
aufgedeckt und angeprangert wird oder irgendein Staat glaubt, damit durchzukommen, dass er in ein kleineres, schwächeres Land einmarschiert und es besetzt.«
»›Glaubt, damit durchzukommen‹, Thomas?«, fragte der Verteidigungsminister. »Die Russen sind damit schon durchgekommen! Allein in den vergangenen zwei Wochen hat Russland über zwanzigtausend Soldaten auf den Balkan entsandt. Keiner der dortigen Staaten kann etwas gegen sie unternehmen. Wie wollen wir jetzt mit Russland umgehen? Die Russen haben die Kontrolle über Makedonien übernommen, legen in Bulgarien und Serbien riesige Nachschub- und Munitionsdepots an und stoßen immer wieder über die albanische Grenze vor, als wollten sie demnächst auch dort einmarschieren. Und die Deutschen treten praktisch beiseite, lassen ihnen auf dem ganzen Balkan freie Hand. Wir können Russland einen Angriffskrieg, Massenmorde und sogar Völkermord nachweisen. Irgendjemand muss die Russen auf dem Balkan stoppen.«
»Wir werden nicht militärisch gegen Russland vorgehen«, entschied der Präsident.
»Was?«
»Wenn die Balkanstaaten von Russland besetzt werden wollen, sollen sie ihren Willen haben«, sagte Thorn.
»Was soll das heißen, dass sie ›von Russland besetzt werden wollen‹?«, fragte Goff. »Weshalb sollte irgendein Staat die Russen im Land haben wollen ?«
»Robert, haben Sie irgendwelche Proteste gegen Russlands neue Rolle als Friedensbewahrer in Makedonien gehört?«
»Wir erhalten täglich Berichte und sehen Videoaufnahmen von Demonstrationen gegen die russischen Besatzer.«
»Aber die Regierung hat nicht dagegen protestiert, die Sitzungen des makedonischen Parlaments finden weiter statt, es gibt keine Exilregierung und die makedonische Armee ist nicht entwaffnet«, stellte der Präsident fest. »Ja, wir haben von Oppositionspolitikern die Forderung gehört, amerikanische Truppen sollten ein Gegengewicht zu den Russen bilden, und Panikmacher sagen bereits einen russischen Einmarsch in Griechenland und der Türkei voraus. Aber das sind alles nur Nebengeräusche, Robert.«
»›Nebengeräusche‹«, wiederholte Goff absichtlich monoton, als sei er zu schockiert, um angemessen reagieren zu können.
»Sie beruhen nur auf Gerüchten und Spekulationen, Drohungen und Panikmache«, sagte der Präsident. »Ihre Quelle sind Oppositionsgruppen, die in allen europäischen Staaten auf sich aufmerksam zu machen versuchen. Sie kommen von ethnischen und religiösen Gruppen in diesem Land, die um Sendezeit, Spenden und Einfluss konkurrieren. Sie stammen von Abgeordneten und Senatoren, die gegeneinander um Stimmen und Wahlkampfspenden konkurrieren. Jeder verfolgt irgendwelche Ziele, Robert, auch Sie und ich. Aber ich sehe nicht ein, weshalb die Ziele anderer Leute meine Denkweise beeinflussen sollten.
Und das gilt erst recht, wenn es darum geht, die Streitkräfte der Vereinigten Staaten einzusetzen«, fuhr der Präsident fort. »Ich weigere mich, unser Militär als Hammer gegen jeden einzusetzen, dessen Denkweise, Taten oder politische Überzeugungen sich zufällig nicht mit unseren decken – auch wenn sie noch so grausig oder gefährlich zu sein scheinen.«
»Sie wären also bereit, Frieden, Sicherheit und Freiheit aller europäischen Demokratien zu opfern, ohne mit der Wimper zu zucken, nur um nicht von Ihrer Denkweise abrücken zu müssen?«, fragte Goff ungläubig. »Selbst wenn Russland den gesamten Balkan besetzen, die NATO spalten, sich die baltischen Staaten erneut einverleiben und den Eisernen Vorhang wieder errichten würde, wären Sie bereit, dem allen untätig zuzusehen?«
»Sie leben in einer von anderen Leuten erschaffenen Fantasiewelt, Robert«, erwiderte der Präsident. »Sie beginnen die maßlosen Übertreibungen zu glauben, mit denen uns die Medien täglich bombardieren. Ja, ich glaube, dass Russland auf dem Balkan – und vielleicht auch anderswo in Europa – feindselige Absichten hegt. Aber wie sähe die Lösung aus, Robert? Soll ich Truppen nach Makedonien, Albanien oder Bulgarien entsenden? Soll ich die Sechste Flotte einsetzen? Dann wären wir die Invasoren. Damit würden wir den Balkan wie im Ersten Weltkrieg in ein Schlachtfeld verwandeln …«
»Die Erhaltung von Freiheit und Demokratie in Europa ist unser Opfer wert, verdammt noch mal!«, sagte Goff aufgebracht. »Hätten Sie untätig zugesehen, wie Hitler sich ganz Europa unterwirft, oder Mussolini Griechenland besetzen lassen? Hätten Sie die Japaner von Insel zu Insel springen
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