Brown, Dale - Phantomjäger
Art militärisches Gremium gesehen; andere Präsidenten hatten den NSC als Sammelstelle für Informationen aus allen Ministerien benutzt; wieder andere hatten versucht, mit seiner Hilfe die wichtigsten Ministerien im Zaum zu halten. Vielfach hatte der NSC die US-Außenpolitik maßgeblich mitbestimmt; zu anderen Zeiten war er nur als Hemmschuh erschienen, der die Regierungsmaschinerie bremste.
Im Jahr 1961 ernannte Präsident Kennedy McGeorge Bundy zum ersten nationalen Sicherheitsberater und etablierte ihn im Lageraum im Keller des Weißen Hauses, um ihn die mit einem Fiasko endende Invasion in der Schweinebucht überwachen zu lassen. Obwohl der National Security Council in Kennedys Amtszeit nur 49-mal zusammentrat und von Kennedys »Wunderknaben« und Johnsons »Küchenkabinett« bald zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wurde, blieb die Position des nationalen Sicherheitsberaters weitgehend unangetastet ...
Bis zur Jahrtausendwende und der Amtszeit von Präsident Thomas Nathaniel Thorn. Dieser Präsident verzichtete auf die Ernennung eines nationalen Sicherheitsberaters; die Zahl der NSC-Mitarbeiter schrumpfte von über zweihundert auf nur vier Dutzend. Die satzungsgemäßen NSC-Mitglieder – Präsident, Vizepräsident, Außenminister, Finanzminister, Verteidigungsminister, Vorsitzender der Vereinten Stabschefs und CIA-Direktor – setzten ihre eigenen Mitarbeiter ein, um die Unmengen von Informationen, die stündlich ins Weiße Haus gelangten, zu sammeln, zu destillieren und zu analysieren.
Die Position des nationalen Sicherheitsberaters war keineswegs der einzige Posten mit Kabinettsrang, auf dessen Besetzung Thomas Thorn verzichtet hatte. Vizepräsident Lester Busick fungierte zugleich als Stabschef und Pressesprecher des Präsidenten; Verteidigungsminister Robert Goff war auch Direktor für innere Sicherheit und galt als De-factoSicherheitsberater des Präsidenten. Mehrere Ministerien waren zusammengelegt worden: dem Gesundheitsministerium waren die Ministerien für Erziehung, Veteranenangelegenheiten und Arbeit sowie die nationale Behörde für Drogenkontrolle zugeschlagen worden; das Finanzministerium umfasste jetzt auch das Handelsministerium, die Haushaltsbehörde und das Amt des US-Handelsbeauftragten; das Innenministerium war um die Ministerien für Landwirtschaft, Energie sowie Verkehr, Wohnungsbau und Stadtentwicklung und die Umweltschutzbehörde erweitert worden. Wegen dieser gestrafften Organisation und weil alle Kabinettsmitglieder sehr eng in die Regierungsarbeit eingebunden waren, stand der Präsident in engem täglichen Kontakt zu seinen Ministern.
Präsident Thomas Thorn war mit Ende vierzig ein noch jugendlicher Mann, ruhig und zurückhaltend. Der fünffache Vater Thorn war ehemaliger Gouverneur von Vermont, der zuvor als Offizier bei den Green Berets der U.S. Army gedient hatte und im Golfkrieg mit kleinen Trupps tief in den Irak vorgestoßen war, um Ziele für die Stealthbomber F117 zu markieren, die die ersten Angriffe gegen Bagdad geflogen hatten. Als Gründer und Vorsitzender der Jeffersonian Party war Thorn der erste Kandidat einer dritten Partei, der seit Abraham Lincoln ins Weiße Haus gewählt worden war – und das war erst der Anfang der ungewöhnlichsten Präsidentschaft seit Menschengedenken gewesen. Thomas Thorn war ein echter »Technokrat«, der Computer, E-Mail und drahtlose Verbindungen nutzte, um Informationen zu sammeln, zu analysieren und zu verbreiten. Seine Arbeitsmethode bestand darin, die täglich als sicher verschlüsselte E-Mails eingehenden Berichte seiner Minister und des Militärs auszuwerten, Kommentare und Fragen zurückzuschicken und dann seine Entscheidungen zu treffen. Alle Minister hatten jederzeit Zugang zum Präsidenten, aber die Regierungsarbeit war jetzt so dezentralisiert, dass jeder Minister nach den von Thorn vorgegebenen Richtlinien selbständig handeln und entscheiden musste. Der Stabschef des Weißen Hauses besaß nicht annähernd die Machtfülle seiner Vorgänger in dieser Position: Er war kaum mehr als ein Assistent, der damit ausgelastet war, den übervollen Terminkalender des Präsidenten zu verwalten und Thorns unersättlichen Informationshunger zu stillen.
Thomas Thorn behandelte das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten als kostbares Vermächtnis und siedelte seine Amtspflichten nur wenig unterhalb der Hingabe an seine Familie an. Er machte niemals Urlaub, betrieb keinen Sport, hatte keine Hobbys und verbrachte nur selten ein
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