Brown, Dale - Schattenpilot
sich seine Gefühle nicht länger unterdrücken. Ohne auf die Reporter und Fernsehkameras zu achten - außer einigen Privatsendern war auch CNN da und übertrug die Zeremonie sogar ins Ausland -, ignorierte der große Dreisternegeneral eine innere Stimme, die ihm davon abriet, ließ sein Manuskript sinken und fuhr tief bewegt fort:
»Als Kommandeur der Eighth Air Force, die im Air Combat Command der wichtigste Verband mit mittleren und schweren Bombern ist, kann ich Ihnen sagen, dass ich anderer Ansicht als meine Vorgesetzten bin, die entschieden haben, die Größe unserer Bomberflotte zu reduzieren, indem alle Bomber B-52Ü und F-mF außer Dienst gestellt, die sechzig einsatzbereiten B-1B Lancer an Nationalgarde und Luftwaffenreserve abgegeben und weitere dreißig B-1 flugfähig eingemottet werden. Das bedeutet, dass dem Air Combat Command zur Jahrtausendwende lediglich zwanzig strategische Bomber, Stealth-Bomber des Musters B-1A, verbleiben - ja, nur zwanzig Bomber, zwanzig Maschinen.« Seine Zuhörer, überwiegend Lokalpolitiker und Soldatenfamilien, die genau wussten, was die Luftwaffe auf diesem Gebiet plante und wie diese Planung ihr Leben beeinflussen würde, schüttelten mitfühlend und erstaunt die Köpfe.
»Begründet wird das natürlich damit, der Stealth-Bomber B-2 sei viel leistungsfähiger, die Gefahrenlage sei anders geworden, und die B-52 und B-1 seien im Unterhalt zu teuer und könnten nicht präzise genug angreifen. Ich will keineswegs bestreiten, dass die B-2 ein unglaubliches Flugzeug ist, das bei praktisch jedem Flug ein neues Kapitel Luftkriegsgeschichte schreibt. Ich bestreite auch nicht, dass die Gefahrenlage für die Vereinigten Staaten und ihre Streitkräfte sich geändert hat: Wir setzen nicht mehr auf atomare Abschreckung, um andere Staaten zu zwingen, sich friedlich zu verhalten - eine Strategie, der die Männer und Frauen von Barksdale verpflichtet gewesen sind, aber deren Zeit jetzt vorüber ist. Statt eines interkontinentalen Krieges zwischen Supermächten, die möglicherweise Kernwaffen einsetzen, sehen wir heutzutage regionale Kriege nach Art des Golfkriegs und ohne Einsatz von Atomwaffen voraus.
Trotzdem behaupte ich weiterhin, dass es bei Krisen, die irgendwo auf der Welt ausbrechen, außer Atomwaffen - die meiner Ansicht nach völlig überholt sind und bis auf sehr wenige für den Fall einer unvorhersehbaren politischen Entwicklung vernichtet werden sollten - nur ein Waffensystem gibt, das die Fähigkeit eines Gegners, Krieg zu führen, schnell und effektiv verringern oder sogar eliminieren kann, und das ist der schwere Bomber«, fuhr Samson fort. »Mit oder ohne vorgeschobene Stützpunkte, mit oder ohne Meeresnähe, mit oder ohne Warnung, mit oder ohne Unterstützung anderer Staaten können nur Langstreckenbomber im Verein mit Tankflugzeugen und modernsten Lenkwaffen den Kampfwillen des Feindes brechen. In der Anfangszeit eines Konflikts würden strategische Bomber den Ausschlag dafür geben, ob eine Krise stabilisiert oder sogar beigelegt wird oder außer Kontrolle gerät.
Zwanzig Bomber B-2 und die B-1 der Luftwaffenreserve wären vielleicht im Stande, einen Konflikt in irgendeiner abgelegenen Region ein paar Tage oder sogar ein paar Wochen lang zu beeinflussen, bis landoder seegestützte Kräfte herangeführt werden können. Aber was ist, wenn keine anderen Kräfte zur Verfügung stehen? Was ist, wenn wir die Weltmeere nicht befahren können, so unwahrscheinlich das auch sein mag? Im Golfkrieg haben wir das Glück gehabt, mit Saudi-Arabien einen mächtigen Verbündeten mit reichlich Treibstoff und großen Stützpunkten zu finden und für Operationen mit Flugzeugträgern und U-Booten zwei große Gewässer unter Kontrolle der Golfkriegskoalition zur Verfügung zu haben. Außerdem ist uns zugute gekommen, dass Saddam Hussein wider Erwarten nicht in den Norden Saudi-Arabiens eingefallen ist, um Riad, die saudiarabischen Ölfelder und die vielen Militärstützpunkte zu zerstören, sondern den Verbündeten ein volles halbes Jahr Zeit für ihre Kriegs- Vorbereitungen gelassen hat. Bei zukünftigen Konflikten dürfen wir auf solche Vorteile jedoch nicht zählen.
Und was wäre, wenn gleichzeitig irgendwo anders ein weiterer Konflikt ausbräche, sodass wir uns in weit entfernten Weltgegenden zwei Konflikten gegenübersähen? Meiner Ansicht nach wären achtzig Bomber - oder wie viele sonst die erste Krise überlebt haben - kaum im Stande, auf eine zweite derartige Krise mit der
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