Brown, Dale - Schattenpilot
Handel mit China treiben, deshalb sehen alle weg, wenn China gegen einen seiner Nachbarn vorgeht«, stellte der Präsident aufgebracht fest. »Ich bin noch ein kleiner Junge gewesen, als mein Vater in Nordkorea im Kampf gegen die Chinesen gefallen ist - in einem Krieg, der heutzutage fast vergessen ist. Und die Leute vergessen auch, dass wir 1955 am Rande eines Atomkriegs gegen Rotchina gestanden haben, weil Rotchina angefangen hat, Quemoy zu beschießen. In den Sechzigerjahren ist Rotchina ein ebenso gefährlicher Feind wie die Sowjetunion gewesen, und ich erinnere mich noch gut, wie es Nordvietnam unterstützt und auf seinem Gebiet Lager für amerikanische Kriegsgefangene eingerichtet hat.
Nach Maos Bruch mit den Sowjets hat sich unsere Strategie geändert«, fuhr der Präsident fort. »Um die sowjetische Bedrohung abzuschwächen, haben wir uns mit der kommunistischen chinesischen Regierung eingelassen und dafür die Beziehungen zu Taiwan abgebrochen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Die Vereinigten Staaten werden nicht geduldig hundert Jahre warten, bis China die freie Marktwirtschaft einführt und inzwischen die Republik China vernichtet, die Ölfelder im Südchinesischen Meer besetzt und den freien Handel mit dem übrigen Asien bedroht. Amerika kann seine Entscheidüng nicht länger aufschieben: Wir müssen für eine souveräne, demokratische Republik China oder die bloße Hoffnung eintreten, China könnte Taiwan einen Status wie der ehemaligen Kronkolonie Hongkong einräumen.«
»Ich danke Ihnen, Mr. President«, antwortete Kuo mit einer leichten Verbeugung, »für Ihre Worte und dass Sie mich an Ihren Überlegungen haben teilhaben lassen. Trotzdem muss ich um Aufschluss über die politischen Realitäten Ihrer Entscheidung ersuchen und bitte im Voraus um Entschuldigung, falls ich zu direkt frage...«
»Fragen Sie nur, Herr Botschafter«, forderte der Präsident ihn auf. »Danke, Sir. Meiner Regierung ist bekannt, dass die Opposition im Kongress Ihre Maßnahmen gegen die Islamische Republik Iran in Frage stellt, weil ein Stealth-Bomber auf Ihren Befehl China überflogen haben will. Seit diesem Vorfall haben Sie alle Ihre Trägerkampfgruppen aus chinesischen Gewässern zurückgezogen, obwohl die Gefahr einer kommunistischen Invasion meines Landes besteht. Droht im Kongress ein Misstrauensvotum gegen Sie oder sind irgendwelche rechtlichen Schritte denkbar, die Sie daran hindern könnten, zur Verteidigung meines Landes einzugreifen?«
»Ich verstehe Ihre Besorgnis, Herr Botschafter«, sagte Präsident Martindale, »aber ich glaube, dass die Opposition mir nicht allzu viel anhaben kann. Zum Glück wäre weit mehr als ein Misstrauensvotum nötig, um mich aus dem Amt zu entfernen. Und nun möchten wir Ihnen ein paar unverblümte Fragen stellen, Han-min.«
»Selbstverständlich, Sir«, antwortete Kuo. »Bitte.«
»Die Proteste in Ihrem Land wegen der Senkaku-Inseln machen uns große Sorgen«, stellte Außenminister Hartman fest. Die Senkaku-Inseln waren eine von China, Japan und Taiwan beanspruchte kleine, unbewohnte Inselgruppe im Ostchinesischen Meer zwischen Okinawa und Taiwan; Japan hatte die Inseln 1894 China weggenommen, aber im Gegensatz zu Formosa nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder abgetreten. Wegen der umstrittenen Fischfangund Ölbohrrechte in diesem Gebiet waren die diplomatischen Beziehungen zwischen den drei Ländern seit Jahren angespannt. »In Taipeh sind Japaner von Demonstranten angegriffen worden, ohne dass es Verhaftungen gegeben hätte. Es wird schwierig sein, die Republik China zu unterstützen, wenn wir in einem Konflikt zwischen Japan und Taiwan zwischen die Fronten geraten.«
Botschafter Kuo überlegte kurz. »In meinem Land plädieren viele Menschen nachdrücklich dafür, dass Japan uns die Tiaoyutai, die es Senkaku-Inseln nennt, als Kriegsbeute der japanischen Imperialisten zurückgeben sollte.«
»Wir wissen, worauf sich Ihr Anspruch gründet, Herr Botschafter, aber eine Japanerin ist tot, und sieben Japaner sind bei einer gewalttätigen Demonstration mit über tausend Teilnehmern verletzt worden. Und von den über zweihundert eingesetzten Polizisten und Soldaten hat niemand etwas gesehen? Es gibt keine Beweise? Keine Verdächtigen?«, fragte Vizepräsidentin Whiting ungläubig. »Das sieht nach einem riesigen Vertuschungsmanöver aus, Herr Botschafter. Die japanische Regierung ist verständlicherweise aufgebracht und verlangt von uns die Verhängung eines Rüstungsund
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