Brown Sandra
und nahm eine Dose Sodawasser heraus, blieb in der kühlen Luft stehen und leerte in einem Zug die halbe Dose. Dann rollte er die Büchse an der Stirn. »Verdammter Mist!«
Er wollte diese Art von Gedanken nicht in seinem Leben haben. Vor sieben Jahren hatte er seine Gefühle begraben, als er Abschied von seiner Frau und seinem Sohn genommen hatte. Und er hatte auch all seine Empfindungen begraben. Danach existierte nur mehr sein Körper. Innerlich war er hohl und leer. Er hatte es so gewollt, und er beabsichtigte, es auch dabei zu belassen.
In jenem Moment damals, als er das Haus, in dem Debra und Charlie gestorben waren, verlassen hatte, hatte er auch alles andere hinter sich gelassen. Von diesem Tag an hatte er sich aus der normalen Welt zurückgezogen. Er besaß nichts mehr, außer den wenigen Dingen, die er im Pickup verstauen konnte. Seine Mitmenschen waren ihm gleichgültig. Er wollte keine Freunde.
Dillon hatte auf bittere Weise erfahren müssen, daß man stets einen Tritt ins Gesicht bekam – ganz gleich, wie sehr man sich auch anstrengte, den Erwartungen anderer zu entsprechen; ganz gleich, welch guter Mensch man war. Man wurde für all die schlechten Dinge bestraft, von denen man noch nicht einmal wußte, sie getan zu haben. Seine Schulden mußte man immer bezahlen, und zwar mit dem Leben der Menschen, die man liebte.
Und einen Schluß hatte Dillon aus dieser grausamen Lektion gezogen : Du darfst nicht lieben.
Sein Leben war eine sichere, schmerzfreie Leere, und genauso wollte er es haben. Er konnte keinen Trottel von Hund gebrauchen, der anfing, ihm nachzulaufen. Er wollte nicht, daß dieser Job mehr für ihn wurde, daß er das Gebäude als »seine Fabrik« betrachtete. Und das letzte, was er gebrauchen konnte, war eine Frau, die ihm unter die Haut ging.
Fluchend knallte er die Kühlschranktür zu. So war das Leben. Draußen lag ein dämlicher Köter, der ihm jedesmal die Hand leckte, sobald er durch die Tür kam. Sie hatten noch keinen Spatenstich getan, und schon jetzt führte er sich schlimmer als eine Glucke auf, was das TexTile-Projekt anging. Und er war wütend auf Jade Sperry. Wut aber war ein Gefühl. Er wollte ihr gegenüber keine Gefühle haben.
Nach Wochen voller Konferenzen und Besprechungen mit Männern in edlen Anzügen, deren Hände noch nie eine einzige Schwiele gehabt hatten, sehnte er sich danach, endlich mit der konkreten Arbeit auf dem Bau zu beginnen. Und nun sah es so
aus, als könnte das Projekt
das erste seit Jahren, für das er so
etwas wie persönliche Anteilnahme entwickelt hatte – scheitern. Selbst ein Dummkopf hätte wissen müssen, daß sich der alte
Patchett nicht auf die Seite rollen und tot stellen würde, wenn
ein zweiter Industriezweig in sein Revier einbrach und ihm den
Rang streitig machte. Und Jade Sperry war kein Dummkopf.
Nach dem, was er auf der Versammlung gehört hatte, glaubte Dillon, daß sie schon seit langer Zeit mit dem Alten verfeindet war – ebenso mit seinem Sohn.
Der alte Patchett hatte gesagt: »Wie können Sie es wagen, sich in dieser Stadt blicken zu lassen?« Das deutete auf einen Skandal hin. Hatte Jade Palmetto in Schande verlassen?
Dillon leerte die Dose und zerknüllte sie in der Hand. Er konnte sich die ruhige, kühle und gefaßte Miss Sperry einfach nicht in einen Skandal verwickelt vorstellen, vor allem nicht in einen der anzüglichen Art. Er wollte sie sich eigentlich in keinerlei Zusammenhang vorstellen, aber sie schlich sich neuerdings immer wieder in seine Gedanken.
Das ist nur normal, sagte er sich. Schließlich war sie sein Boß. Er würde auch über seinen Boß nachdenken, wenn es sich um einen Mann handelte– nur eben ganz sicher nicht so, wie er über Jade nachdachte.
Fast ein Jahr lang war er Debra nach deren Tod körperlich treu geblieben. Dann, an einem kalten, einsamen Abend irgendwo im Flachland– Montana? Idaho?– hatte er in einer Bar eine Frau aufgerissen und sie mit auf sein Motelzimmer genommen. Hinterher war er angewidert von sich selbst gewesen und einsamer als jemals zuvor. Er hatte um Debra geweint, mit trockenen, harten Schluchzern. Im Gegensatz zu seinen restlichen Gefühlen erholte sich sein sexueller Appetit und wurde wieder stark und gesund. Als Dillon zum zweitenmal eine Frau mit ins Bett nahm, machte es ihm schon weniger aus. Beim dritten Mal war es fast einfach gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war er in der Lage, den physischen Akt von seinen Emotionen getrennt zu sehen. Er konnte erregt
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