Brown Sandra
die Tochter, die sie sich wünschte.«
»Und wie hätte die ausgesehen?«
»Ein hübsches Südstaatendummchen, das eine gute Partie macht. Was in Palmetto nur heißen konnte: Angel dir Neal Patchett.«
Dillon fluchte.
»Ich hatte viel höhere Ziele als sie, doch soweit dachte sie überhaupt nicht, es überstieg ihren Horizont.«
»Naja, wo immer sie jetzt sein mag, Jade, sie sollte wissen, daß sie sich irrte. Vielleicht bedauert sie, was sie getan hat.«
»Ich wünschte, ich könnte sie sehen und mit ihr sprechen. Ich will gar keine Entschuldigung, ich möchte nur, daß sie sieht, wie Graham und ich uns herausgemacht haben. Ich würde auch gern wissen, ob sie doch noch jemanden oder überhaupt etwas in ihrem Leben gefunden hat, das sie glücklich macht.«
»Das klingt, als hättest du ihr vergeben.«
Jade dachte über das Wort vergeben nach und entschied, daß es nicht zutraf. Ihre Mutter war eine Figur aus einem anderen Leben. Sie hatte nicht mehr die Macht oder Autorität, sie zu verletzen. »Ich würde mir einfach nur wünschen, sie würde erfahren, daß ich das, was ich mir vorgenommen hatte, erreicht habe. Ob sie ihr Verhalten bedauert, oder ob ich ihr vergebe, ist unwichtig. Es ist Vergangenheit. Von heute an will ich nur noch nach vorn blicken, nicht zurück.«
Dillon stand auf und ging zum Geländer, das die Veranda einfaßte. Es war spät geworden, ohne daß sie es bemerkt hatten. Im Haus hinter ihnen war es still. Cathy und Graham hatten sich auf ihre Zimmer zurückgezogen. Dillon schien es nicht eilig zu haben. Er stützte sich auf das Geländer und lehnte sich vor.
»Ich habe in letzter Zeit ziemlich viel über die Vergangenheit nachgedacht.«
»Über irgend etwas im besonderen?«
»Ja, und ich bin zu demselben Schluß wie du gelangt. Es ist an der Zeit, Vergangenes hinter mir zu lassen und nach vorn zu gehen.«
Er drehte sich um, lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer und sah Jade an. »Mein ganzes Leben lang habe ich fest daran geglaubt, daß ein Mensch, wenn er gut genug ist, hart genug arbeitet und das Boot, in dem wir sitzen, nicht zum Umkippen bringt, dafür auch belohnt wird. Er wird dann seinen Teil abbekommen.
Die Kehrseite dieser Philosophie lautete, daß er bitter dafür bezahlen muß, wenn er es versaut. Ihm wird Schlimmes zustoßen. Naja, seit einiger Zeit spiele ich mit dem Gedanken, daß diese Philosophie vielleicht nicht stimmt.«
Sie spürte seinen Blick durch die Dunkelheit auf sich ruhen. »Du sprichst von deiner Frau und deinem Sohn.«
»Ja.«
»Liegt es nicht in der menschlichen Natur, nach Erklärungen zu suchen, wenn ein Unfall wie dieser passiert? Und ist es nicht nur normal, daß wir uns dann selbst die Schuld geben – weil sie doch irgendeiner schließlich tragen muß?«
»Schon, aber ich habe es zur Religion erhoben. Es fing an, als meine Eltern umkamen. Ich weiß noch, daß ich krank war vor Selbstvorwürfen. Was hatte ich Gott getan, daß er mich so bestraft? Das war, bevor den Psychologen einfiel, daß sie den Kindern besser sagen sollten, daß es nicht ihr Fehler ist, wenn so etwas passiert.«
Er drehte die Handflächen nach oben und betrachtete die Schwielen. »Wenn man als Kind anfängt, so etwas zu denken, dann verfolgt es einen durch die Jugend und weiter. Ich war ständig bemüht, Fehler mit guten Taten auszugleichen, um mein Schicksal nicht herauszufordern. Wenn ich etwas Falsches tat, dann wartete ich automatisch auf das Fallbeil. Als Debra und Charlie starben, war ich überzeugt, daß ich die Schuld daran trug, daß ich irgend etwas Schlimmes getan haben mußte.« Er lachte höhnisch. »Ganz schön vermessen, sich einzubilden, über die Schicksale anderer zu bestimmen, nicht wahr?
Aber in all den Jahren seit ihrem Tod war ich der Meinung, ich trüge die Schuld, ich würde die Strafe bekommen für etwas, was ich getan oder unterlassen hatte.«
Jade kam zu ihm hinüber und lehnte sich neben ihn an das Geländer. Sie unterbrach ihn jedoch nicht. Er schüttelte verdrossen den Kopf. »Mittlerweile bin ich zu der Überzeugung gelangt, daß es anders ist. Scheiße passiert eben – so, wie es auf diesem Aufkleber an manchen Stoßstangen steht. Scheiße passiert. Tragödien können gute Menschen treffen. Schlechte werden mit Glück überschüttet.« Ihre Blicke trafen sich. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut es tut, von dieser Schuld befreit zu sein.«
»Debra und Charlie waren Opfer eines Unfalls, Dillon. Und das warst du auch.«
»Danke, daß du mir geholfen
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