Brown Sandra
sollen wir unsere Leute bezahlen? Wir werden die Fabrik dichtmachen müssen …«
Ivan sah seinen Sohn angewidert an. »Worüber zerbrichst du dir eigentlich den Kopf? Wir werden sowieso bald keine Leute mehr haben, weil die alle zu TexTile und Jade Sperry gehen werden. Die Patchett-Sojabohnen-Fabrik wird Geschichte sein.«
Entsetzen breitete sich auf Neals geschwollenem Gesicht aus. »So etwas darfst du nicht sagen, Daddy!«
»Genau das hat sie doch von Anfang an geplant. Sie wollte uns fertigmachen, ruinieren.« Ivan starrte auf einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand, als wollte er sie mit seinem Blick zerstören. »Und sie hat es tatsächlich geschafft.«
Neal ließ sich auf das Sofa fallen und grub die Finger in die dunklen Augenhöhlen. »Ich will aber nicht arm sein, ich will nicht arm sein.«
»Hör mit dem verdammten Gejammer auf!«
»Was hast du schon noch zu fürchten, alter Mann? Ich werde derjenige sein, der mit dieser Scheiße leben muß. Der Arzt sagt, dein Herz und die Lunge sind schon völlig hinüber. Du stirbst sowieso bald.«
»Um das zu wissen, brauche ich keinen Arzt.« Wie ein Sterbender sah Ivan nicht aus. Seine Augen funkelten äußerst lebendig. »Aber eines weiß ich verdammt sicher: ich werde erst ins Grab steigen, wenn diese Sache erledigt ist. Diese SperrySchlampe wird damit nicht durchkommen. Niemals. Soll sie ihren kleinen Sieg genießen – sie wird dafür ein Opfer bringen.«
Neal wurde augenblicklich klar im Kopf. Er stellte seinen Drink auf dem Couchtisch ab. »Ihren Sohn.«
»Cleverer Junge. Die Patchetts mögen vielleicht angeschlagen sein, aber wir sind noch nicht tot. Gleich morgen früh wirst du einen Anruf machen … du wirst Myrajane Griffith zu uns einladen.«
*** Dillon kümmerte sich um den Grill auf der Veranda. »Der Fisch sieht klasse aus«, lobte er Graham, der ihm zur Hand ging.
»Danke.« Graham strahlte vor Stolz. »Ich fange immer mindestens einen, wenn ich in diese Bucht gehe.«
»Was macht die Schule?«
Graham besuchte seit zwei Wochen die High School von Palmetto, und bisher lief alles ziemlich gut. Er erzählte es Dillon. »Nächste Woche sind die Ausscheidungen fürs FußballTeam. Ich hoffe, ich schaffe es.«
»Bestimmt.« Dillon wendete das Filet. »Vermißt du New York?«
»Geht so. Eigentlich gefällt’s mir hier ganz gut. Und Ihnen?«
Bevor er antwortete, sah Dillon zum Haus hinüber, Graham folgte seinem Blick. Sie konnten seine Mom hinter dem Küchenfenster sehen. »Mir gefällt’s hier auch ganz gut«, sagte Dillon. Er konzentrierte sich wieder auf den Grill.
»Was werden Sie machen, wenn die Fabrik steht? Bleiben Sie hier, oder gehen Sie woanders hin?« Da sie gerade beim Thema waren, nutzte Graham die Möglichkeit, Dillon nach seinen Zukunftsplänen zu fragen. Er wünschte sich, daß Dillons Pläne sich mit ihren überschnitten.
»Es dauert noch ziemlich lange, bis die Fabrik steht«, antwortete Dillon. »Jahre. Ich weiß noch nicht, was ich danach tun werde. Ich plane nicht soweit im voraus.«
»Warum nicht?«
»Weil ich gelernt habe, daß es nicht gut ist.«
Jade steckte den Kopf durch die Hintertür. »Es ist alles vorbereitet, wir warten nur noch auf euch Mannsbilder.«
»Kommen schon. Der Fisch ist fertig!« rief Dillon zurück.
»Graham, stell bitte das Gas ab.«
»Klar.« Die Unterbrechung durch seine Mutter kam ihm ungelegen, denn Dillons letzte Bemerkung hatte ihn verwirrt. Sie widersprach Jades Philosophie, sich im Leben Ziele zu setzen und sie zu verfolgen, ganz egal, welche Rückschläge man dabei einstecken mußte. Außerdem hätte er gern eine Art Versprechen gehabt, daß Dillon noch eine lange Zeit bei ihnen blieb.
»Achte darauf, daß du den Schalter auch bis zum Anschlag zudrehst«, warnte Dillon.
»Mach’ ich.«
Dillon legte die Filets auf einen Teller und trug sie durch die Hintertür, die Jade ihm offenhielt. Graham beobachtete, wie sie sich hinunterbeugte und an dem gegrillten Fisch schnupperte. Sie leckte sich die Lippen. Dillon sagte etwas, das sie zum Lachen brachte.
Plötzlich fühlte sich Graham wieder fröhlich. Er stellte das Gas ab und folgte ihnen ins Haus. Er freute sich immer, wenn Dillon zum Essen kam, aber heute abend war die Stimmung besonders gut. Er wußte nicht, was sie feierten, doch das war ihm auch egal. Er wußte nur, daß seine Mutter, seit sie New York verlassen hatten, noch nicht so entspannt gewesen war wie heute. Vielleicht hatte sie sich seine Bemerkung vor ein paar Wochen, daß sie immer so
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