Brown Sandra
schneidend kalter Wind.
Neal trank sein Bier aus. Er knüllte die Dose in der Faust zusammen und warf sie ins Unterholz, das die vier vom Kanal trennte.
»Können wir jetzt wieder fahren?« Jade versuchte, bestimmt zu klingen, obwohl ihre Stimme zitterte. Neal kam auf sie zugeschlendert. »Noch nicht.«
»Warum nicht?«
»Nun, bevor wir fahren«, antwortete er in schleppendem Ton, »werden wir drei dich ficken.«
Kapitel 3
Donna Dee steckte in der Zwickmühle. Es schien ihr nicht richtig, sicher zu Hause zu sitzen, während Jade überall und nirgends sein konnte. Wenn ihre Freundin schon daheim wäre, würde sie doch bestimmt anrufen.
Donna Dee hatte nur fünf Minuten in ihrem liegengebliebenen Wagen warten müssen, dann war sie von einer Farmersfamilie in die Stadt mitgenommen worden. Ihr Vater war zur Tankstelle gekommen, hatte einen Kanister vollgetankt und sie zu ihrem Auto gebracht. Weniger als zwanzig Minuten, nachdem die Jungs mit Jade weggefahren waren, war sie wieder in Palmetto gewesen.
Der Gedanke, einfach stehengelassen worden zu sein, nagte noch an ihr. Wie hatten sie nur ohne sie fahren können? Und warum hatten sie Jade nicht rausgelassen, als die ihnen klarmachte, daß sie nicht alleine mitfahren wollte? Man sollte Neal Patchett gegen eine Wand stellen und erschießen lassen…
Und Hutch hatte Neals Befehle wie immer ohne jeden Protest befolgt. Es kränkte Donna Dee, daß es Hutch offensichtlich egal war, was mit ihr geschah, so egal, daß er sie einfach auf der Straße stehenließ, ohne sich darum zu kümmern, wer sie auf dem verlassenen Highway aufgabelte. Der Gedanke, von Hutch Jolly geschnappt und in die dunkle Nacht entführt zu werden, war für sie ungeheuer romantisch und eine ihrer Lieblingsphantasien. Obwohl Neal und Lamar kein Teil dieser Vorstellung waren, beneidete Donna Dee Jade um das Abenteuer, »gekidnappt« worden zu sein.
Jetzt, als sie allein in ihrem Zimmer saß, fragte sich Donna Dee, was sie wegen Jade unternehmen sollte. Ob Neal sie wohl zu der Stelle zurückgebracht hatte, an der sie liegengeblieben waren, oder ob er sie zu Gary gefahren hatte? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden. Donna Dee griff zum Telefon und wählte die Nummer der Parkers. Aber was, wenn Jade gar nicht dort war? Sie mußte an den Streit neulich vor der Milchbar denken– Gary würde bestimmt ausflippen, wenn er erfuhr, was Neal gemacht hatte…
Donna Dee wollte nicht, daß Jade Ärger mit Gary oder mit ihrer Mutter bekam. Und ebensowenig wollte sie, daß sie selbst mit jemandem Ärger bekam. Andererseits würde sie erst ruhig schlafen können, wenn sie wußte, was geschehen war. Schließlich rang sie sich zu einem Anruf durch.
»Sie sind schon weg?«
»Ja, Velta«, sagte Pete Jones. »Kurz vor sechs bin ich vom
Pflegeheim gekommen. Jade und die kleine Monroe waren praktisch schon auf dem Sprung. Ich habe Jade erlaubt, früher zu gehen– und weg waren sie. Ich soll Ihnen ausrichten, daß Jade in einer Stunde zu Hause ist und daß sie gute Neuigkeiten hat.«
Velta haßte Überraschungen, selbst wenn sie angenehm waren. Besonders an diesem Abend. Sie war müde. Ihr Kreuz schmerzte vom langen Sitzen an ihrem Schreibtisch. Sie hatte Hunger. Sie wollte nur noch nach Hause, etwas essen, ein Bad nehmen und danach ins Bett.
Velta war erst vierzig, doch man sah ihr jeden Tag ihres Alters an, erst recht, wenn sie wie jetzt verärgert die Lippen spitzte. »Sieht Jade gar nicht ähnlich, ohne meine Erlaubnis auszugehen.«
Pete Jones kicherte. »War irgendeine große Sache am Gange. Jade war völlig aus dem Häuschen.«
»Hat sie gesagt, was die gute Neuigkeit ist?«
»Nein.«
»Na ja, sie wird schon bald kommen«, sagte Velta mit gespielter Gleichgültigkeit. Nur nicht die Gerüchteküche anheizen. »Vielen Dank, Mr. Jones. Schönen Abend noch.«
Auf der Fahrt nach Hause hielt Velta Ausschau nach Donna Dees Wagen. Wahrscheinlich war das Ganze sowieso Donna Dees Idee gewesen. Seit die von ihren Eltern diese verdammte Klapperkiste bekommen hatte, machten die Mädchen, was sie wollten. Deshalb gab Velta Jade nie den Wagen, wenn sie nicht genau wußte, wofür und wie lange ihre Tochter ihn brauchte. Mädchen, die zuviel Freiheit hatten, waren nicht gut angesehen. Als Velta schließlich zu Hause ankam, war ihre Laune auf den Nullpunkt gesunken. Der Briefkasten quoll über vor Post, aber sie war zu müde, um sie durchzusehen, und warf sie einfach auf den Küchentisch. Dann wärmte sie sich
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