Brown Sandra
versperrte ihr auf den Korridoren der Schule den Weg. Sie mied ihn, wo es ging. Er machte ihr angst, und seit dem bewußten Sonntagabend vor ein paar Wochen machte sie aus ihrer Abneigung gegen ihn auch kein Hehl mehr.
Neal Patchett war mit Privilegien auf die Welt gekommen, die er für völlig selbstverständlich hielt und nicht zu schätzen wußte. Jade war diese Haltung zuwider, erst recht, wenn sie bedachte, daß ein talentierter Mensch wie Gary um jede winzige Chance kämpfen mußte. Neal war faul in der Schule und störte permanent den Unterricht; er forderte die Lehrer geradezu heraus, ihn zu tadeln oder durchfallen zu lassen, weil er genau wußte, daß sie eben das niemals tun würden, denn die meisten von ihnen hatten Verwandte oder Ehepartner, deren Jobs auf irgendeine Art von seinem Vater abhingen.
Jade war überzeugt, daß hinter Neals Gehabe mehr als nur der pubertäre Hang zur Aufrührerei steckte. Manche seiner Streiche waren mehr als frech und grenzten schon an Gemeinheit. In allem, was er sagte und tat, lag eine Schlechtigkeit, eine Grausamkeit des gefährlicher, als die meisten glaubten, fand Jade.
»Wie sollen wir bitteschön alle da reinpassen?« fragte Donna Dee mit einem zweifelnden Blick ins Innere des Sportwagens.
»Kein Problem«, sagte Neal. Er klappte den Fahrersitz nach vorn. »Du kletterst nach hinten zu Lamar«, wies er Jade an.
Eigentlich gab es gar keine Rückbank, lediglich so etwas wie eine Lücke unter dem schrägen Rückfenster. Jade zögerte. »Vielleicht sollte ich besser in Donna Dees Wagen warten.«
»Ganz allein?« kreischte Donna Dee.
»So lange kann’s doch nicht dauern«, sagte Jade. »Höchstens eine halbe Stunde. Macht mir wirklich nichts aus.«
»Steig ein.«
»Neal hat recht, Jade«, bettelte Donna Dee. »Du kannst doch nicht ganz allein hier draußen im Dunkeln warten. Steig schon nach hinten zu Lamar. Ich setz’ mich bei Hutch auf den Schoß.« Die Vorstellung schien ihr zu gefallen.
Spur angeborener Geistes. Er war
Jade teilte die Vorfreude ihrer Freundin allerdings nicht, denn sie hatte ein ungutes Gefühl. Sie wollte jedoch nicht albern sein und beschloß, daß es– auch wenn Neal wie ein Henker fuhr– immer noch sicherer war, bei den anderen zu bleiben als allein auf dem verlassenen Highway zu sitzen, abends, im Regen.
Sie kletterte über den Sitz nach hinten zu Lamar, der, so gut es ging, für sie zur Seite rückte. »Hi Jade.«
»Hi.« Sie lächelte ihn an. Er wirkte immer so bemüht zu gefallen. Irgendwie tat er ihr leid. Es war ihr völlig schleierhaft, wieso er ständig mit Hutch und Neal rumhing.
Neal ließ sich hinters Steuer gleiten und schloß die Tür.
»Hutch, steig ein.«
Hutch gehorchte aufs Wort.
Donna Dee ging zur Beifahrerseite des Wagens. Doch ehe sie einsteigen konnte, sagte Neal zu Hutch: »Mach die Tür zu.«
Hutch klappte die Tür zu und sah Neal neugierig an.
»Was ist mit Donna Dee?«
Neal startete den Motor. »Die bleibt hier.«
Donna Dee langte nach dem Türgriff, doch Neal war schneller, beugte sich über Hutch und drückte den Knopf runter.
»Laß mich einsteigen, du Blödmann!« Donna Dee trommelte gegen das Fenster.
Hutch sagte unsicher: »Neal, wir können sie doch nicht hierlassen…«
»Halt’s Maul.«
»Laß sie rein!« Jade zwängte sich zwischen die Vordersitze, beugte sich über Hutchs Schoß und langte nach dem Türgriff. »Mach auf, Donna Dee! Schnell!« Sie zog den Knopf nach oben, doch bevor Donna Dee reagieren konnte, trat Neal aufs Gaspedal, und der Wagen schoß nach vorn.
»Wenn sie nicht mitkommt, will ich auch aussteigen!« schrie Jade.
Wieder langte sie nach dem Türgriff, doch diesmal, weil sie selber raus wollte.
»Halt ihr die Hände fest, Hutch.« Neal klang völlig gelassen, obwohl er gerade ein waghalsiges Wendemanöver auf dem nassen, glitschigen Highway ausführte. Seine Eiseskälte versetzte Jade in Schrecken.
»Nein!« Sie fing an, sich gegen Hutchs Umklammerung zu wehren, fuchtelte mit den Armen, schlug nach seinen Händen und versuchte, sich zwischen die Vordersitze zu zwängen und den Türgriff zu erreichen.
Dabei traf sie Neal mit dem Ellenbogen am Ohr. »Verdammt! Lamar, halt sie gefälligst fest! Wie soll ich dabei fahren!«
Lamar umklammerte ihre Taille. Jade schrie und trat mit dem Absatz gegen das Rückfenster. Dann griff sie nach dem Wagenheber, doch Lamar versetzte ihr einen Karatehieb auf das Handgelenk, und ihre Hand wurde taub. Für einen kurzen Augenblick sah Jade Donna Dee im
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