Brown Sandra
rief Hutch.
»Sie sagt, ein nicht identifizierter Schwarzer hätte sie in seinem Pickup aufgelesen und dorthin gebracht. Sie sagt, daß ihr sie vergewaltigt habt, du, Lamar und Neal.«
Hutch zog die Knie an, legte die Ellenbogen darauf und preßte die Handflächen gegen die Augen. »Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, Daddy. Ich schwör’s bei Gott, ich weiß nicht, was ich tat, bis es vorbei war.«
Fritz fühlte sich, als würde sich ein Zentner Beton auf seine Brust senken. Der letzte Funken Hoffnung, daß das Mädchen gelogen haben könnte, erlosch. Müde rieb er sich das Gesicht. »Du hast sie vergewaltigt?«
»Ich wollte es nicht«, schluchzte Hutch. »Irgendwie ist es über mich gekommen, über uns alle. Es war, als würde ich danebenstehen und mir selber dabei zusehen. Ich konnte nicht glauben, daß ich es tat, aber ich konnte auch nicht aufhören.«
Dann ließ sich Fritz die ganze Geschichte von Hutch erzählen. Jedes einzelne Wort traf ihn wie eine Speerspitze. Hutchs Version stimmte nahezu wörtlich mit Jades überein.
»Und ihr habt sie einfach dagelassen?« fragte Fritz, als Hutch fertig war.
»Was hätten wir denn machen sollen? Neal hat gesagt …«
»Neal hat gesagt«, polterte Fritz. »Fällt dir nichts besseres ein als ›Neal hat gesagt‹? Hast du keinen eigenen Grips im Kopf? Neal sagt ›Laßt uns die kleine Sperry vergewaltigen‹, und schon holst du deinen Schwanz raus. Wenn Neal gesagt hätte ›Schneid dir die Eier ab und friß sie auf!‹ – hättest du das auch gemacht?«
»Und? Mit dir und Ivan ist es doch auch nicht anders oder?«
Fritz setzte zu einem Schlag an. Er hatte schon die Hand erhoben, zog sie dann jedoch wieder zurück. Die Wahrheit in Hutchs Worten hielt ihn davon ab. Wen hätte er geschlagen? Hutch – oder sich selbst und sein schlechtes Gewissen? Niedergeschlagen ließ er den Kopf sinken.
Nach einer Weile sagte Hutch: »Tut mir leid, Daddy. Ich hab’s nicht so gemeint.«
»Schon gut, mein Sohn. Wir sollten uns heute morgen die Wahrheit sagen, egal, wie häßlich sie auch sein mag.«
»Hast du Mom von … von Jade erzählt?« Fritz schüttelte den Kopf. »Muß ich jetzt ins Gefängnis?«
»Nicht, wenn ich es verhindern kann. Ich will nicht, daß dir ein Knastbruder das antut, was du und deine Freunde gestern abend Jade angetan habt.«
Hutchs großes, männliches Gesicht nahm die Züge eines Babys an. Er fing laut und kehlig an zu schluchzen. Mitleidig nahm Fritz ihn in die Arme und klopfte ihm auf den Rücken.
»Ich wollte es nicht, Daddy. Ich schwör’s. Es tut mir leid.«
Fritz glaubte ihm. Er vermutete sogar, daß Hutch insgeheim in Jade verliebt war und daß ihr wehzutun das Letzte war, was er wollte. Sein Sohn hatte in seinem ganzen Leben noch nichts wirklich Schlechtes getan. Geschweige denn eine Gewalttat begangen. Aber er war mit Neal zusammen gewesen. Neal war der Anführer gewesen. Er war es immer. Fritz hatte eine Situation wie diese schon lange kommen sehen. Nur hatte er nicht geahnt, welche Ausmaße es annehmen würde. Er hätte nie geglaubt, daß die Folgen so verheerend sein könnten.
Neals Seele war gespalten. Ivan hatte ihm eingehämmert, daß er etwas Besonderes war, und der Junge hatte irgendwann angefangen, es zu glauben. Er kannte keine Skrupel. Er nahm sich einfach, was er wollte, und mußte sich für seine Handlungen nie rechtfertigen. Die Folge war, daß Neal glaubte, daß Gesetze nur für alle anderen Menschen und nicht für ihn galten.
Es wunderte Fritz kaum, daß Neal sich gerade Hutch und Lamar als seine Freunde ausgesucht hatte. Zum einen waren sie die einzigen Jungs in der Klasse, die ihn ertragen konnten. Zum anderen waren sie formbare Charaktere. Nie muckten sie auf, immer taten sie, was Neal von ihnen verlangte. Sie fürchteten ihn mehr als alle anderen Autoritätspersonen, ihre Eltern eingeschlossen. Neal schmeichelte ihrem Ego und nutzte gerissen ihre Unsicherheiten aus, so daß sie ihm absoluten Gehorsam und hundertprozentige Loyalität entgegenbrachten.
Fritz wußte, daß Ivan den Fall in der Versenkung verschwinden lassen konnte. Er hatte seine schmutzigen Machenschaften schon zu oft beobachtet, um daran zu zweifeln. Selbst wenn dieser Fall zur Verhandlung kommen sollte – was höchst unwahrscheinlich war–, die Jungs würden in Palmetto niemals verurteilt werden. Viele der Geschworenen würden Angestellte von Patchett sein, und die anderen würde Ivan einfach bestechen. Jades Ruf würde in aller Öffentlichkeit vernichtet
Weitere Kostenlose Bücher