Brown Sandra
nachhängen. Die Leute werden vergessen, daß dein Daddy eine Tapferkeitsmedaille bekommen hat. Jedesmal, wenn dein Name fällt, wird es im Zusammenhang mit diesem unglücklichen Zwischenfall sein.«
Die beschwörenden Worte ihrer Mutter rissen Jade aus ihrer Konzentration. Sie schloß die Augen und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Mit großer Anstrengung hielt sie die Antworten zurück, die ihr auf der Zunge brannten.
»Jade, der Sheriff hatte ganz recht. Ich glaube, er hat nur dein Bestes gewollt. Wirklich. Wenn die Sache bekannt wird, werden wir alle darunter zu leiden haben. Ivan wird mir kündigen. Er wird nicht zulassen, daß ich weiterhin für ihn arbeite, wenn unsere Kinder sich vor Gericht gegenüberstehen. Was soll ich denn nur tun, wenn ich meinen Job verliere?«
Velta hielt inne, um Atem zu schöpfen und einen Schluck Kaffee zu nehmen.
»Nur ihr vier wißt wirklich, was dort draußen geschehen ist. Diese Jungs werden eine völlig andere Geschichte erzählen, Jade. Ihre Aussage wird gegen deine stehen. Drei gegen einen. Was meinst du, wem die Leute glauben werden? Sie werden sagen, daß du es nicht anders wolltest, als du in Neals Wagen gestiegen bist.
Ein Vergewaltigungsopfer kriegt immer die Schuld. Das mag falsch sein, aber so ist es eben. Die Leute werden sagen, du bist hübsch und hast es drauf ankommen lassen. Sie werden sagen, du hast den Jungs so lange den Kopf verdreht, bis sie ihn verloren haben.
Leute, die dich bisher für ein nettes Mädchen, eine gute Schülerin, eine gute Christin gehalten haben, werden dich in ganz neuem Licht sehen. Manche verbreiten vielleicht sogar Lügen über dich, um sich selbst interessant zu machen. Es wird nicht lange dauern, und wir werden nicht mehr erhobenen Kopfes durch die Stadt gehen können.«
Velta seufzte. »Die Hoffnung, daß du einmal eine gute Partie machst, ist sowieso dahin. Hättest du nur daran gedacht, bevor du herumgeflirtet hast!«
Jade stand auf, ging zur Spüle und schüttete den Rest ihrer Milch in den Ausguß. Dann drehte sie sich um und sah ihrer Mutter in die Augen. »Ich habe es mir anders überlegt, Mama. Ich werde keine Anzeige erstatten.«
Veltas Mund klappte auf, dann lächelte sie zum erstenmal. »Oh, Jade, ich …«
»Warte, Mama, bevor du irgendwas sagst, will ich dir erklären, warum ich es nicht tun werde. Ich habe meine Meinung nicht wegen deiner oder Sheriff Jollys Ratschläge geändert. Und es ist mir absolut egal, ob Ivan Patchett dich noch heute rausschmeißt oder nicht. Ehrlich gesagt, würde ich mir wünschen, daß er es tut, wenn du nicht selber soviel Anstand hast, hinzugehen und zu kündigen. Ich hasse den Gedanken, von seinem Geld abhängig zu sein.
Mir ist auch egal, ob ein Verfahren meinem oder deinem Ruf schaden könnte. Es ist mir egal, was die Leute denken. Jeder, der glaubt, daß ich derart böswillig lügen könnte, ist bei mir sowieso unten durch.
Der einzige Grund für meinen Rückzug ist Gary. Unsere Beziehung würde in aller Öffentlichkeit breitgetreten werden. Wildfremde Leute würden darüber diskutieren, wie eng wir zusammen waren. Ich ertrage den Gedanken nicht, daß etwas so Reines und Klares wie unsere Liebe zu etwas Häßlichem und Schmutzigem gemacht werden würde.
Ich liebe ihn zu sehr, als daß ich ihm das zumuten könnte. Kannst du dir vorstellen, wie er sich fühlen wird, wenn er erfährt, daß drei Jungs sich … sich in mir entleert haben?«
Tränen rannen ihr über die Wangen. Ein Riß schien sich in ihrer Brust zu öffnen, und Jade stöhnte leise auf. »Nein, Mama. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für Gary bedeuten würde, aber ich kann es. Er würde sie umbringen wollen. Er würde es wahrscheinlich wirklich versuchen und damit seine ganze Zukunft aufs Spiel setzen.
Ein cleverer Verteidiger – und Ivan kann sich die Besten leisten – könnte Gary als Zeugen vorladen lassen. Dann müßte er entweder intime Details über uns verraten oder einen Meineid leisten. Dazu werde ich es nicht kommen lassen.« Entschlossen wischte sie sich die Tränen von den Wangen. »Und außerdem ist mir klargeworden, daß eine Verhandlung doch nur das Unvermeidliche hinauszögern würde.«
»Was meinst du damit?« fragte Velta.
» Ich bin diejenige, die dafür sorgen muß, daß sie büßen. Eines Tages werde ich meine Entschädigung bekommen.«
Augenblicklich hörte sie auf zu weinen. »Warum sollte ich vor Gericht gehen, wenn sie sowieso schon jetzt so gut wie freigesprochen sind? Warum sollte ich es
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