Brown Sandra
fallen ließ.
»Du hast mir eine Heidenangst eingejagt«, flüsterte er und preßte das Gesicht an ihren Hals. »Ich bin so froh, daß du nichts Ernstes hast.«
Jade löste sich zuerst aus der Umarmung. Sie ließ Gary hereinkommen, und er sah sich schuldbewußt um. »Bist du sicher, das geht okay, wenn deine Mutter nicht da ist?«
»Es ist okay.« In dieser Situation war das das Letzte, worüber sich Jade Sorgen machte.
Sobald sie die Tür geschlossen hatte, nahm Gary Jade in den Arm und sah sie eindringlich an. »Was ist los, Jade? Du mußt ja wirklich ziemlich krank gewesen sein. Deine Mutter hat gesagt, du seist so krank, daß du nicht mal ans Telefon kommen kannst.«
»Ich habe sie gebeten, das zu sagen.« Er warf ihr einen fragenden Blick zu. »Setz dich, Gary.«
Jade schaute weg und setzte sich auf einen Stuhl. Als sie zu Gary aufsah, erkannte sie, daß ihre kalte Reaktion ihn sprachlos machte. Es fiel ihr selber schwer, ihr eigenes Verhalten in den Griff zu bekommen. Garys zärtliche Berührung hatte sofort die Erinnerung an Berührungen wachgerufen, die nicht zärtlich gewesen waren. Obwohl sie vom Kopf her wußte, daß es ein riesiger Unterschied war, schien ihr Körper nicht zwischen Garys Zärtlichkeiten und den groben Verletzungen ihrer Vergewaltiger trennen zu können. Sie sollte froh darüber sein, dachte sie. Ohne körperliches Verlangen würde sie viel leichter mit ihrer Situation zurechtkommen.
Gary trat auf sie zu, kniete sich vor sie und nahm sie bei den Händen. »Jade, ich kapier’ das nicht. Was, zum Teufel, geht hier ab?«
»Was kapierst du nicht?«
»Alles. Warum warst du nicht in der Schule? Warum wolltest du nicht mit mir sprechen?«
»Ich war krank.«
»Zu krank, um ans Telefon zu kommen und hallo zu sagen?«
Sie versuchte kühl zu klingen. »Ich muß dir etwas sagen, Gary.«
»O Gott, nein«, flüsterte er. Er beugte sich vor, grub das Gesicht in ihren Schoß und krallte sich in ihren Morgenmantel. »Hast du etwa eine tödliche Krankheit? Wirst du sterben?«
Es brach ihr das Herz. Sie konnte nicht anders, als ihm mit der Hand durchs lockige braune Haar zu streichen. Es wickelte sich um ihre Finger, als hätte es ein Eigenleben. Zärtlich streichelte sie ihm den Kopf. Ein Schluchzer löste sich aus seiner Kehle, ein Echo all der Tränen, die sie zurückhielt.
Bevor ihr innerer Schmerz sie überwältigen konnte, hob sie Garys Kinn hoch. »Nein, das ist es nicht. Ich werde nicht sterben.« Er berührte ihr Gesicht und zog mit den Fingerspitzen die Linien nach. »Es ist nur …« Sie hatte ganz falsch angefangen. »Mir ist es psychisch nicht gutgegangen.«
Er wiederholte die Worte, als würde er eine fremde Sprache hören. »Warum?«
»Ich habe einfach unter zu großem Druck gestanden.«
»Wegen der Schule?« Er streichelte ihr Haar und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. Sie widerstand dem Wunsch, die Wange in seine Hand zu schmiegen. »Das wird sich jetzt bestimmt geben – wir haben doch unsere Stipendien. Hey! Wir haben uns ja noch gar nicht gesehen, seit wir die Bestätigung gekriegt haben. Glückwunsch!«
»Gleichfalls.«
»Wie wollen wir das feiern?« Seine Hand wanderte zu ihrer Brust. »Ich hätte da schon ’ne Idee.«
»Nein!« Sie schrie auf und wich zurück. Gary war derart verblüfft, daß er nach hinten kippte, als sie aufstand. Ihre Bewegungen waren ungelenk und mechanisch, als hätte sie erst kürzlich Laufen gelernt.
»Jade?«
Sie drehte sich um und sah ihn an. Er wirkte verblüfft.
»Hast du nicht verstanden, was ich dir gesagt habe? Ich halte den Druck nicht mehr aus, nicht nur den in der Schule, sondern vor allem den, der zwischen uns entstanden ist.«
»Wovon, zum Teufel, redest du?«
Jade erkannte, daß alles nur schlimmer wurde, wenn sie es noch weiter hinauszögerte. Es gab keinen Weg, es ihm zu sagen, ohne ihn zu verletzen. »Du bist doch sonst so clever«, sagte sie betont ungeduldig. »Kannst du nicht zwischen den Zeilen lesen? Muß ich erst ganz deutlich werden? Verstehst du nicht, was ich dir sagen will?«
Gary stand auf. Er stemmte die Hände in die Hüften und neigte den Kopf. »Willst du mit mir Schluß machen?«
»Ich – ich glaube, wir brauchen ein bißchen Abstand voneinander, ja. Irgendwie ist alles zu schnell gegangen, aus dem Ruder gelaufen. Wir müssen uns zurücknehmen.«
Gary ließ die Arme sinken. »Ich kann das einfach nicht glauben, Jade …« Er ging auf sie zu und versuchte, sie zu umarmen. Sie schob ihn von sich.
»Ich kann es einfach
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