Brown Sandra
englischsprachigen Schulen wurden keine Lehrer eingestellt, und die Geschäftsleute nahmen lieber Einheimische als Amerikaner. Und so quälte sie sich mit Lesen durch die Tage, spazierte durch die idyllischen engen Gassen oder schrieb Briefe an ihre zahllosen Verwandten. Sie sagte Dillon nichts davon, doch sie hatte Heimweh und wurde lustlos. Sie mußte aufkommende Depressionen mit aller Macht unterdrücken.
Die Schwangerschaft gab ihr neuen Mut. Sie litt unter keinerlei Beschwerden und schwor, sich noch nie im Leben besser gefühlt zu haben. Sie strotzte vor Energie. Täglich bestaunten Dillon und sie die Veränderungen, die in ihrem Körper vor sich gingen. Diese neu gefundene Intimität vertiefte ihre Liebe zueinander.
Um die Zeit bis zur Geburt zu überbrücken, schrieb sie sich bei einem Kochkurs ein, den sie von ihrer Wohnung aus zu Fuß besuchen konnte. Außer ihr gab es noch vier Frauen und zwei Männer im Kurs, allesamt bereits im Rentenalter. Debra wurde von ihnen wie ein Küken begluckt, wobei die Rolle der Oberhenne der großmütterlichen Leiterin des Kurses zufiel. Debra verbrachte die Tage in der Klasse, in ihrer kleinen Küche, wo sie die Rezepte ausprobierte, oder auf einem der Märkte in der Nachbarschaft. Hier kaufte sie die Zutaten für ihre kulinarischen Offenbarungen ein, mit denen sie Dillon abends überraschte. Meist kam sie nach Hause, beladen mit Körben und Tüten, die sie mit dem ächzenden Fahrstuhl nach oben schaffte, obwohl Dillon ihr verboten hatte, ihn zu benutzen.
An diesem Nachmittag hätte er sie beinahe dabei ertappt, denn sie traf nur wenige Minuten vor ihm ein. Er umarmte sie stürmisch und drückte ihr einen dicken Kuß auf die Lippen. Dann ließ er sie los, grinste und sagte: »Laß uns in die Schweiz fahren.«
»In die Schweiz?«
»Ja, du weißt schon, das Land gleich hier an der Grenze zu Frankreich. Ziegen, Heidi, Alpen und Schnee, Joladühiti …« »Natürlich kenne ich die Schweiz. Weißt du nicht mehr? Unser Wochenende in Genf?«
»War das da, wo der Spiegel an der Decke angebracht war?« »Aha, du weißt es also noch.«
»Wie könnte ich das vergessen?« schnurrte er, zog sie an sich,
und ihre Lippen verschmolzen zu einem zweiten Kuß. »Spiegel an der Decke brauchen wir nicht unbedingt«, flüsterte sie, als sie sich schließlich voneinander lösten.
»Aber was ich jetzt unbedingt brauche, ist – raus aus der Stadt und feiern!«
»Was denn feiern?«
»Ich habe Scanlan heute rausgeschmissen.«
Debras Lächeln erstarb.
Dillon erzählte ihr, was geschehen war. »Ich hasse es, so weit zu gehen, aber mir blieb nichts anderes übrig.« Er sah, daß sie verstört war. »Findest du, daß es falsch war?«
»Nein, ich finde, du hast genau das Richtige getan. Nur leider zählt meine Meinung nicht so viel wie die von Forrest G. Pilot.«
»Darum will ich heute abend in die Schweiz fahren. Wenn er mir recht gibt, werden wir beide einfach ein phantastisches Wochenende in den Alpen verbringen. Wenn er meine Entscheidung rückgängig macht, werde ich aus Prinzip kündigen, und dann können wir uns die Schweiz nicht mehr leisten. Wenn er mich feuert – dito. Also, solange ich noch in Lohn und Brot stehe und mich so gut fühle, wie ich es tue, laß uns einfach alle anderen zur Hölle schicken und wegfahren …«
Sie nahmen den Eilzug nach Lausanne und stiegen dann um nach Zermatt. Sie lachten mit Studenten, plauderten mit der Großmutter, die ein Mützchen für ihr zehntes Enkelkind strickte, und naschten von dem Essen, das Debra eingepackt hatte. Dillon nahm einen Schluck von dem starken Rotwein, der ihm von einem der Studenten angeboten wurde, lehnte jedoch einen Zug vom Marihuanajoint dankend ab.
In Zermatt brauste Dillon die Abhänge für Fortgeschrittene hinunter. Debra verzichtete wegen ihrer Schwangerschaft aufs Skifahren und tröstete sich mit einem Bummel durch die exklusiven Geschäfte, wo sie die endlose Parade der Jetsetter bestaunte. Sie fuhr mit Dillon in einem Pferdeschlitten, und gemeinsam schauten sie zu, wie Schlittschuhfahrer ihre Kreise auf dem glitzernden See zogen. Sie ernährten sich von Käsefondue, dunklem, schwerem Brot und Schweizer Schokolade.
Auf der Rückfahrt nahm Dillon Debra in den Arm und stützte das Kinn auf ihren Kopf. »Das war unsere richtige Hochzeitsreise.«
»Was war falsch an den Bermudas?«
»Nichts. Aber damals warst du meine Braut. Jetzt bist du meine Frau.« Er schlüpfte mit der Hand unter ihren Mantel und legte sie auf ihren
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