Brown Sandra
Hutch unter vier Augen sprechen konnte, seine Bedenken aus.
»Du bist noch ziemlich jung für eine Ehe, Sohn«, hatte er gesagt.
»Ich weiß, Daddy, aber sie will es unbedingt.«
»Und willst du es?«
»Naja, klar. Ich meine, na ja, also ich denke schon.« »Willst du sie heiraten, weil du sie liebst?«
»Klar. Warum wohl sonst?«
Sie tauschten einen vielsagenden Blick aus. Dann seufzte Fritz
resigniert. »Na, wenn du sicher bist, daß du es willst …« Die Hochzeit fand am zweiten Wochenende im Juni statt. Drei
Tage vor der Hochzeit waren Donna Dee und Hutch im
Wohnzimmer ihrer Eltern und sahen sich die Geschenke an, die bereits eingetroffen waren. Sie legte den Satz Steakmesser beiseite, den sie soeben ausgepackt hatte, und hängte die Schleife zu den anderen Satinbändern über einen Kleiderbügel. »Hutch?«
»Mmh-hmm?« Er stopfte sich mit dem Sandwich voll, das Mrs. Monroe für ihn gemacht hatte.
»Ich muß dich mal was fragen.«
»Schieß los.«
Donna Dee band die Schleife sorgfältig um den Kleiderbügel,
wie sie es mit jedem Band tat, seit sie ihren Polterabend gefeiert hatten. »Wir sollten uns doch eigentlich alles ganz offen und ehrlich erzählen, bevor wir heiraten, stimmt’s?«
Hutch leckte sich die Butter von den Fingerspitzen. »Stimmt.«
»Naja, wegen dem Abend, als ihr mit Jade zum Kanal
gefahren seid …«
Hutch erstarrte, die Finger noch an den Lippen. Langsam ließ er die Hand sinken und drehte sich zu Donna Dee um. Seine Augen weigerten sich fast, sie anzuschauen. Sein Adamsapfel ruckte auf und ab, er schluckte heftig. »Was willst du wissen?«
» Sie hat doch nicht die Wahrheit gesagt, stimmt’s? Ihr habt sie doch nicht echt vergewaltigt, oder?« Donna Dee sah ihm ins Gesicht.
Hutch rang mit sich, ob er ihr die Wahrheit sagen sollte, oder lieber das, was sie hören wollte. Er mußte entweder gestehen, daß er Jade vergewaltigt hatte, oder zumindest, daß er scharf auf Donna Dees beste Freundin gewesen war. So oder so – er konnte nicht gewinnen. »Natürlich war’s keine Vergewaltigung«, murmelte er. »Sie kannte uns doch. Wie soll’s da ’ne Vergewaltigung gewesen sein …«
»Hat sie sich gewehrt?«
Seine breiten Schultern hoben und senkten sich. » Sie … na ja, du weißt doch, manche Mädchen tun nur so, als würden sie’s nicht wollen, oder?«
Donna Dee sah weg. »Warst du scharf auf sie, Hutch? Ich meine, du mußt doch scharf auf sie gewesen sein, sonst hättest du ihn doch nicht hochgekriegt.«
Er schabte mit seinem großen Fuß auf dem Teppichboden. »So war es nicht, Donna Dee. Ich schwör’s bei Gott. Es war … es war verrückt. Gott, ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll.« Er breitete die Hände in einer ungeduldigen Geste aus.
»Es war nicht so, daß ich mir richtig überlegt habe, jetzt will ich Jade ficken, okay?«
»Okay.« Donna Dee schöpfte zitternd Luft. »Ich war schon immer sicher, daß sie gelogen hat. Sie hat euch einfach aufgegeilt, stimmt’s? Du bist ein Mann. Männer können eben nicht widerstehen …«
Er sah über ihr heftiges Blinzeln hinweg, so wie sie über die Schweißperlen hinwegsah, die sich auf seiner Oberlippe gebildet hatten. Keiner von ihnen sagte die Wahrheit, doch für ihren Seelenfrieden war es unumgänglich, daß jeder sich selbst und den anderen weiterhin betrog.
Auf dem Empfang vor der Hochzeit kam Neal an Hutchs Seite und flüsterte: »Ich kann dir die Brautjungfer nur empfehlen.«
»Sie ist Donna Dees Kusine.«
»Mir ist wurscht, wessen Kusine sie ist. Sie rammelt wie ein Häschen.« Neal bohrte ihm zwischen die Rippen. »Denk doch
mal dran, wieviel Spaß du bei den Familienfeiern haben kannst.«
»Du bist verrückt«, grummelte Hutch und schüttelte Neals
Arm von der Schulter.
»Hey, Alter. Versaut dir diese Heirat etwa alles? Das kannst
du nicht machen!«
In diesem Moment faßte Hutch den Entschluß, seiner Frau treu zu sein. Ganz gleich, ob sie sich selbst etwas vormachten, um ihre Gewissen zu beruhigen; Donna Dee hatte für ihn gelogen und ihn vor einer Anzeige bewahrt. Ihre Eifersucht auf Jade war gerechtfertigt, obwohl er ihr auch dies niemals gestanden hatte. Sie waren durch eine Sünde aneinandergebunden, die er nicht auch noch dadurch verschlimmern wollte, daß er ein untreuer Ehemann war. Wenn man bedachte, was er Jade angetan hatte, erschien ihm Treue kein zu hoher Preis.
Nach ihrer Hochzeitsreise hatte Hutch bei seinem Vater im Sheriffbüro gearbeitet, bis das Training für die
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