Brown Sandra
ausgenommen, verlor Lamar seine Jungfräulichkeit. Weil seine Freunde der Annahme waren, daß er schon seit Jahren Sex hatte, konnte er mit niemandem über die aufregendste Nacht seines Lebens reden.
Er hatte peinlichst auf Diskretion geachtet, was nicht gerade einfach war, wenn man mit Myrajane zusammenlebte. Daß Lamar schon ein ganzes Jahr nicht mehr zu Hause wohnte, zählte für sie nicht; sie wollte über jede Minute Rechenschaft abgelegt bekommen. Ein barmherziger Schutzengel hatte verhindert, daß sie von der Vergewaltigung Wind bekommen hatte. Myrajane hatte sofort zu denen gehört, die Jade die Schuld gaben, als Gary sich das Leben nahm. Lamar, der sich der Ungerechtigkeit dieser Haltung bewußt war, hatte mit sich gerungen, ob er seine Mutter aufklären sollte. Doch er brauchte nicht lange zu überlegen, um sich dagegen zu entscheiden und sein Wissen für sich zu behalten.
Bis zum heutigen Tag konnte er nicht fassen, daß er ungeschoren davongekommen war. Da er seitdem immer das Gefühl hatte, mit einem Schwert über dem Kopf zu leben, hatte er besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, damit seine Mutter nichts von seiner Liebesaffäre erfuhr.
Und somit hatte er jetzt zwei Sünden, die auf seiner Seele lasteten. Und man mußte immer für seine Sünden büßen. Lamar büßte, indem er dazu verdammt war, ein weiteres Jahr unter Neals Tyrannei zu verbringen.
Er zwang sich aufzustehen und machte sich für den Abend zurecht. Er sollte wirklich noch auspacken, bevor die Mädels kamen, sonst würde er seine Sachen nie wiederfinden. Er würde nachher ein bißchen stoned und ein bißchen betrunken sein und vielleicht eins von den Mädchen mit aufs Zimmer nehmen und bumsen. Weil Neal genau das von ihm erwartete.
Vor kurzem hatte Lamar sich damit abgefunden, den Rest seines Lebens das zu tun, was von ihm erwartet wurde– selbst wenn es ihm nicht gefiel.
Kapitel 13
Morgantown, South Carolina, 1977-81
»Mann! So ein fieses Examen, was?«
Jade lächelte den Kommilitonen an, der sich zu ihr gesellt hatte, als sie aus der naturwissenschaftlichen Fakultät ging. »Das Examen war wirklich fies.« Das Glockenspiel schlug vier Uhr. Die Bäume warfen schon lange Schatten.
»Biologie war noch nie mein Fall. Übrigens, ich bin Hank Arnett.«
»Nett, dich kennenzulernen, Hank. Jade Sperry.«
»Hi, Jade.« Sein Lächeln war entwaffnend. »Und meinst du, du hast das Examen bestanden?«
»Ich habe ein Stipendium, deshalb sollte ich wohl besser bestehen. Ich muß mindestens ins obere Drittel kommen.«
Er pfiff. »Puh, das ist hart.«
»Und was ist dein Fall, wenn nicht Naturwissenschaft?« fragte sie ihn.
»Kunst. Ich tausche jederzeit Madame Curie gegen Monet ein. Kannst du dir vorstellen, daß Picasso was mit ›paramecria procreate‹ anfangen konnte?«
Jade mußte lachen. »Mein Hauptfach ist Wirtschaft.«
»Hmm.« Er zog beeindruckt eine Braue hoch. »Bei deinem Aussehen hätte ich eher auf Musik getippt. Vielleicht noch Literatur.«
»Fast. Marketing und Management.«
»Tss, hat mich mein Instinkt doch glatt getäuscht. Als zukünftigen Tycoon hätte ich dich nie eingeschätzt.«
Jade nahm es als Kompliment. »Okay, ich muß jetzt hier abbiegen.« Sie hielten bei der Wegkreuzung. »War nett, dich getroffen zu haben, Hank.«
»Ja, gleichfalls. Sag mal, äh, ich wollteeigentlich ’nen Kaffee trinken gehen – hättest du nicht Lust?«
»Hätte ich schon, aber ich muß zur Arbeit.«
»Wo arbeitest du denn?«
»Ich muß jetzt wirklich los, Hank. Bye.« Bevor er etwas antworten konnte, lief sie bereits in Richtung Parkplatz davon.
Hank Arnett sah ihr nach, bis sie verschwunden war. Er war ein ausgeglichener Junge, groß und schlaksig, mit einem breiten Kreuz. Das braunrote Haar trug er meist zu einem Pferdeschwanz gebunden. Wie ein Filmstar sah er nicht gerade aus, doch seine schelmischen braunen Augen waren gewinnend.
Eine seiner größten Tugenden war Beharrlichkeit. Er besaß einen gesunden Sinn für Humor und fand die Eigenheiten des Lebens eher amüsant als irritierend. Nach ihrer ersten Begegnung machte es Hank sich zur Gewohnheit, Jade vom Biologiekurs zum Parkplatz zu begleiten. Da sie immer direkt nach der letzten Unterrichtsstunde zur Arbeit gehen mußte, hatte sie eine gute Ausrede, seine Einladungen zum Kaffee auszuschlagen. Sie fing an, Hank zu mögen, und entmutigte ihn gerade deshalb, was seine vorsichtigen Annäherungsversuche betraf.
Wie Dekan Hearon prophezeit hatte, war Miss Dorothy Davis nicht unbedingt
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