Bruchlandung
es denn, Sie kriegen es ja sowieso raus. Also kann ich es Ihnen auch gleich auf die Nase binden.«
»Was meinen Sie?«
»Wenn ich Ihnen jetzt das sage, was ich weiß, dann laufe ich vermutlich Gefahr, dass ich das Haus verlieren werde.«
Diesmal wartete der Kommissar, bis Ramona Stark weitersprach.
»Es stimmt tatsächlich, dass es im Sommer vor zwei Jahren Spitz auf Knopf stand, dass wir unser Haus verlieren würden. Wir waren mit einigen Raten im Rückstand, und das Girokonto war auch weit über das absolute Limit überzogen. Und irgendwann, als ich mich schon damit abgefunden hatte, wieder in einer Mietwohnung zu leben, kam Theo eines schönen Tages mit einem Briefumschlag nach Hause, in dem 35.000 Euro steckten. Auf meine Frage, wo er das viele Geld auf einmal her hätte, sagte er mir, dass er es beim Pokern gewonnen hätte.«
»Und haben Sie ihm das geglaubt?«
»Würden Sie einem notorischen Lügner glauben, der noch nie in seinem Leben irgendwas beim Spielen gewonnen hat?«
Lenz schüttelte den Kopf.
»Sehen Sie, so geht es mir auch. Und wenn Sie jetzt rauskriegen, dass er das Geld irgendwo geklaut hat oder so, dann wird es mir doch sicher wieder vom Konto geholt, und ich kann das Haus dann gar nicht mehr halten.«
Sie versuchte ein schiefes Lächeln.
»Wobei die Chance, es behalten zu können, sowieso höchstens fifty-fifty ist, wenn ich es recht überlege.«
»Fifty-fifty ist gar keine so schlechte Quote, würde ich sagen. Und es ist noch gar nicht endgültig ausgemacht, wo das Geld wirklich herstammt, und dass Sie es zurückgeben müssen, schon gleich gar nicht. Aber dass es aus einer Pokerrunde stammt, ist garantiert Blödsinn.«
»Sehen Sie, so war das immer mit dem Theo. Selbst wenn er etwas wirklich Gutes gemacht hat, war darin noch ein Haufen Schlechtes.«
Der Kommissar griff nach ihrer linken Hand und drückte sie sanft.
»Das war’s dann schon, Frau Stark. Vielen Dank noch mal, Sie haben uns wirklich sehr geholfen.«
Die Polizisten gingen Richtung Tür.
»Und machen Sie sich wirklich keine Gedanken wegen des Geldes. Werden Sie gesund, der Rest kommt von ganz allein.«
»Wenn es doch so einfach wäre, Herr Kommissar.«
26
Andreas Blatter sah hinaus in die Nacht. Die kleine Pension im Rotlichtviertel hatte er schon des Öfteren gebucht, wenn er ein paar Stunden oder Tage für sich sein wollte, und hier konnte er absolut sicher sein, dass niemand erfahren würde, wo er sich aufhielt. Die Eigentümerin, eine ehemalige Prostituierte, war eine alte Freundin, und auf deren Tochter, die im Wechsel mit ihr die Rezeption besetzte, konnte er sich ebenfalls zu 100 Prozent verlassen.
Die Frage allerdings, ob er seinen Aufenthaltsort würde geheim halten können, machte dem Rockerboss zum gegenwärtigen Zeitpunkt die wenigsten Sorgen. Viel bedeutsamer war für ihn, dass irgendwo auf der Welt ein Dossier über ihn existierte, das ihn für den Rest seines Lebens ins Gefängnis bringen konnte. Oder mit fast todsicherer Chance bringen würde. Lange hatte er darüber nachgedacht, dass die Ansage seines verschissenen Bruders vielleicht nur ein Bluff gewesen sein könnte, doch diesen Gedanken hatte er schlussendlich verworfen, weil das ganz und gar nicht zu ihm gepasst hätte. Thomas hatte, so lang Andreas ihn kannte, immer alles aufgeschrieben. Alles. Auch über die kleinsten Kleinigkeiten und die für den jüngeren der Blatter-Brüder noch so unwichtigen Details hatte Thomas sich Notizen angefertigt. Er war, so empfand Andreas Blatter es zumindest, geradezu besessen davon, alles schwarz auf weiß niedergeschrieben zu haben, und hatte das einmal mit seinem Job als Rechtsanwalt begründet, doch das war einfach nicht wahr, weil er das auch schon als Schüler und später als Student so gemacht hatte.
Draußen war es wieder leicht am Schneien, und für den Rockerboss, der noch immer am Fenster stand, hatte es etwas von Endzeitstimmung, sich die dunkel und feucht daliegende Wolfhager Straße anzusehen, die um diese Zeit nicht mehr war als eine beliebige Ausfallstraße, die nur noch von wenigen Menschen befahren wurde. Während des Nachmittags hatte Blatter sich Dutzende Male gefragt, wie lang es wohl dauern würde, bis der- oder diejenige, bei dem sein Bruder sein Pamphlet hinterlegt hatte, reagieren würde. Und ob es so etwas wie eine Reaktionszeit für ihn selbst geben würde. Mehrmals war er hochgeschreckt, als unten auf der Straße ein Rettungswagen oder ein Polizeiauto mit lalülala
Weitere Kostenlose Bücher