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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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blieb nur eine Hoffnung: Er mußte in kürzester Zeit einen möglichst großen Vorsprung vor seinen Verfolgern gewinnen, und das bedeutete, daß er auf der Straße fliehen mußte. Nur dort konnte er hoffen, schneller zu sein als die Männer des Sheriffs.
    So schnell er konnte, kletterte er den Abhang hinauf und rannte auf dem grasbewachsenen Seitenstreifen der Straße in Richtung Saint Giles. Hinter sich vernahm er die Rufe der Männer unten im Tal und hörte, was die anderen oben auf der Straße antworteten: »Der Dieb! Schnell, kommt herauf!«
    Die beiden auf der Straße rannten ihm nach, aber er hatte einen guten Vorsprung und war zuversichtlich, daß er ihnen entkommen und ein gutes Versteck kurz vor dem Wachtposten finden würde, der gewiß an jeder Straße aufgestellt worden war. Aber im nächsten Augenblick hörte er ein Geräusch, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ: Hinter ihm ertönte Hufgetrappel, das gerade vom weichen, grasbewachsenen Boden auf die harte Straße überwechselte. Die beiden Wachen aus der Bachniederung waren beritten.
    »Hinterher! Er ist auf der Straße - ihr könnt ihn leicht einholen!« schrie einer von denen, die ihn zu Fuß verfolgten.
    Sie jagten im Galopp heran, und jetzt bestand keine Hoffnung mehr, ihnen zu entkommen. Es hatte auch keinen Zweck, die Straße zu verlassen, denn zu viert würden sie ihn bestimmt finden. Er rannte, so schnell er konnte, erreichte Saint Giles und sah sich verzweifelt nach einem Versteck um, konnte jedoch keines entdecken. Zu seiner Linken erhob sich auf der Böschung der aus Weidenruten geflochtene Zaun des Hospitals, an den sich die Friedhofsmauer anschloß. Hinter ihm stießen seine Verfolger, obwohl sie ihm noch nicht allzu nahe gekommen waren, Triumphschreie aus. Die Kurve, die die Straße hier machte, hatte ihn ihren Blicken entzogen.
    Aus der Dunkelheit an der Friedhofsmauer rief ihn plötzlich eine leise, aber energische Stimme an: »Hierher! Schnell!«
    Instinktiv schlug Joscelin die Richtung ein, aus der die Stimme gekommen war. Keuchend stolperte er die Böschung hinauf und wurde von einem langen Arm gepackt. Eine schlanke, große Gestalt in einem weiten, dunklen Umhang hatte sich vom Boden erhoben und grub hastig eine Höhlung in einem Heuhaufen, der an der Mauer aufgeschichtet war.
    »Hier!« sagte die Stimme, die ebensowenig zu erkennen war wie das Gesicht. »Versteck dich hier!«
    Kopfüber wühlte Joscelin sich in den Heuhaufen. Er fühlte, wie der alte Mann sich wieder auf den Boden setzte, seinen Umhang um sich zog und sich gegen den Heuhaufen lehnte, fühlte durch die Kleidung und das Heu hindurch das gerade, knochige Rückgrat. Bestimmt war es ein Mann, und bestimmt war er alt. Die leise Stimme, wenn sie auch klang, als sei sie durch irgend etwas gedämpft, hatte sich angehört wie die eines alten Mannes, aber die Schultern, die sich jetzt gegen ihn preßten, waren ebenso breit wie die Joscelins. Eine Hand streckte sich durch das raschelnde Heu nach hinten und packte sein Knie, um ihn daran zu erinnern, daß er sich keinesfalls bewegen durfte, und Joscelin erstarrte sofort. Den Mann, der ihn versteckt hatte, umgab eine eigenartige Stille - er strahlte eine Ruhe aus, die sich durch die Berührung auf Joscelin zu übertragen schien.
    Sie kamen. Das Hufgetrappel wurde immer lauter, und dann hörte er, wie das erste Pferd so abrupt gezügelt wurde, daß die Hufe auf dem Kies der Straße rutschten. Joscelin war sicher, daß seine Verfolger den Mann an der Mauer bemerkt hatten; es war jetzt schon etwas heller geworden, und sie konnten die menschenleere Straße, die vor ihnen lag, weit übersehen. Er hörte einen Mann absteigen und hielt, in der Gewißheit, daß er jetzt gleich die Böschung hinaufsteigen würde, den Atem an.
    »Unrein!« rief der alte Mann warnend und schlug laut die Klapper. Es wurde wieder still. Der Mann hatte innegehalten.
    Der zweite Mann auf der Straße lachte. »Er müßte ja verrückt sein, wenn er sich bei den Aussätzigen verstecken würde, um nicht ins Gefängnis zu kommen.« Dann erhob er seine Stimme - wer alt und krank war, war gewiß auch schwerhörig. »Heh, du da! Wir verfolgen einen Burschen, der wegen Diebstahls gesucht wird. Er ist in diese Richtung geflohen. Hast du ihn gesehen?«
    »Nein«, sagte der alte Mann. Seine Worte, die durch das Gesichtsruch gedämpft waren, kamen langsam heraus, als habe er Mühe, sie zu formen, aber mit Geduld und Konzentration gelang es ihm, deutlich zu sprechen.

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