Bruder Cadfaels Buße
Mann. »Es ziemt sich nicht, hier das Schwert zu entblößen. Damit bringt Ihr Eure Seele in Gefahr. Unser Anliegen ist der Friede.«
Schwer atmend standen die beiden Gegner einander gegenüber. Yves blickte mit gerötetem Gesicht tiotzig drein, während de Soulis den Angreifer mit einem kalten Lächeln aus zusammengekniffenen Augen musterte.
Mit aalglatter Höflichkeit sagte er: »Es war nicht meine Absicht, Anstoß zu erregen, doch dieser Hitzkopf, den ich nie zuvor gesehen habe, hat mich ohne ersichtlichen Grund angegriffen.«
Gelassen und mit der erkennbaren Absicht, dem Bischof die ihm gebührende Ehrerbietung zu erweisen, schob er sein Schwert zurück in die Scheide. »Er kam von der Straße hereingeritten und begann, mich auf das übelste zu beschimpfen. Ich weiß nicht einmal, wer er ist, und ich habe zum Schwert gegriffen, um mich zu verteidigen.«
»Er weiß sehr wohl, warum ich ihn als Überläufer, Abtrünnigen und Verräter anständiger Männer bezeichne«, warf Yves hitzig ein. »Ihm haben es wackere Ritter zu verdanken, daß sie im Verlies so mancher Burg schmachten müssen.«
»Schweigt!« gebot ihm der Bischof, und Yves gehorchte ihm auf der Stelle. »Was auch immer der Anlaß Eures Streites sein mag, innerhalb dieser Mauern laßt davon ab.
Wir sind hier zusammengekommen, um solchem Zwist unter Ehrenmännern ein Ende zu bereiten. Nehmt Euer Schwert auf und steckt es in die Scheide! Nehmt es auf diesem heiligen Boden nicht wieder zur Hand, wie sehr auch immer man Euch reizen mag. Das gebiete ich Euch im Namen der Kirche. Überdies befinden sich Eure Lehnsherren und Souveräne hier, die Gleiches von Euch verlangen.«
Die machtvolle Stimme, die zu Beginn des ungehörigen Schauspiels auf dem Torweg ihre Befehle hervorgestoßen hatte, gehörte, wie sich zeigte, einem breitschultrigen und überaus erzürnten Mann, der jetzt gebieterisch in den mit einem Mal verstummten Kreis trat. Obwohl graue Strähnen sein einst blondes Haar durchzogen und Spuren von Sorge und Bekümmernis auf seinem gut geschnittenen offenen Gesicht lagen, erkannte Cadfael ihn sofort. Er war König Stephen vor vielen Jahren bei der Belagerung der Stadt Shrewsbury begegnet - ein aufbrausender Herrscher, der sich rasch wieder beruhigte, ungestüm, tapfer, aber unbeständig, gutmütig und großzügig, ein Mann, der alle Jahre seiner Herrschaft mit zerstörerischer Kriegsführung zugebracht hatte. Im selben Augenblick begriff Cadfael, daß das Aufblitzen der leuchtenden Farben im Eingang des großen Saales in Zusammenhang mit dem Auftreten jener Frau stehen mußte, die mit Stephen um die Herrschaft stritt. Da stand sie, glänzend gekleidet, stolz und hoch aufgerichtet vor der Dunkelheit des Saals. Maud, das einzige überlebende legitime Kind des alten Königs Heinrich, Kaiserin durch ihre erste Eheschließung, Gräfin von Anjou durch ihre zweite, ungekrönte Herrscherin Englands.
Sie ließ sich nicht dazu herab, unter die Leute im Hof zu treten, sondern blieb ruhig stehen, und ihr Blick glitt teilnahmslos und leicht verächtlich über das Bild, das sich ihr bot. Als Antwort auf die Reverenz, die ihr der König erwies, neigte sie lediglich das Haupt ein wenig. Sie war von hoheitsvoller Schönheit. Das dunkle, volle Haar quoll unter dem goldenen Netz ihres Kopfputzes hervor und ihre großen unverwandt blickenden Augen wirkten ebenso beunruhigend und unbeteiligt wie der starre Blick einer Heiligen in einem byzantinischen Mosaik. Sie hatte das vierzigste Lebensjahr überschritten, war aber so widerstandsfähig wie Marmor.
»Ich will von keinem von Euch beiden ein Wort hören«, sagte der König, der nicht nur die Friedensstörer überragte, sondern auch den Bischof, der seinerseits größer war als die meisten Männer. »Ihr untersteht hier dem Gebot der Kirche und fügt Euch am besten darein. Spart Euren Zwist für eine andere Gelegenheit und einen anderen Ort auf, oder besser noch, legt ihn für alle Zeiten bei.
Hier ist er fehl am Platze. Bischof, trefft jetzt Eure Anordnungen, was das Waffentragen angeht, und verkündet sie morgen in aller Form, wenn Ihr im Versammlungssaal den Vorsitz habt. Verbietet das Tragen jeglicher Waffe, wenn Euch das gut dünkt oder entscheidet, welche getragen werden dürfen und von wem. Ich werde dafür sorgen, daß jeder zur Rechenschaft gezogen wird, der gegen Euer Gebot verstößt.«
»Ich will mich nicht vermessen, einem Mann das Recht abzusprechen, seine Waffen zu tragen«, sagte der Bischof
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