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Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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ersten gleichsam liebkosenden Berührung, mit der ein Schinder über die Haut seines Opfers fährt, bevor er sie abzieht.
    »Norfolk sagt mir, daß Ihr Euch Eurer Aufgabe mit Anstand entledigt habt«, begann sie dann. »Wie ein geborener Diplomat. Es ist wahr, ich hatte ein wenig an ihm gezweifelt, aber er ist gekommen. Heute nachmittag im Hof habe ich allerdings nur wenig von Eurer Diplomatie gemerkt.«
    Yves spürte, wie ihm die Röte bis in die Haarwurzeln stieg. Sie aber erstickte sogleich mit erhobener Hand und kühlem Lächeln jeden Versuch einer Erklärung oder Entschuldigung im Keim. »Nein, sagt nichts! Eure Treue und Euer Wagemut haben mich mit Bewunderung erfüllt, auch wenn Ihr es an der nötigen Umsicht habt fehlen lassen.«
    »Ich war ein Tor«, gab Yves zu, »das ist mir klar.«
    »Dann ist der Fall bald erledigt«, sagte die Kaiserin.
    »Ich tadele Euch hiermit in aller Form für Eure Torheit und wiederhole Euch als dem Angreifer das Gebot des Bischofs, Euren Groll fürderhin im Zaum zu halten. Das muß so sein, denn zweifellos ermahnt eben jetzt Stephen den anderen Toren. Ihr habt mich verstanden: innerhalb dieser Mauern dürft Ihr niemandem mit unverhüllter Feindseligkeit begegnen. Nachdem wir darüber Einigkeit erzielt haben, mögt Ihr gehen.«
    Ein wenig verwirrt verneigte sich Yves und wandte sich der verschlossenen Tür zu. Hinter ihm ertönte ihre sonst so schneidende Stimme gedämpft und beherrscht, aber gleichwohl deutlich vernehmbar: »Ich muß allerdings gestehen, daß es mich nicht übermäßig grämen würde, Brien de Soulis tot zu meinen Füßen zu sehen.«
    Benommen ging er hinaus. Der Klang der sich sanft einschmeichelnden Stimme folgte ihm, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dort wartete in einigen Schritt Entfernung geduldig die ältere Kammerfrau mit gefalteten Händen, bis ihre Gebieterin ihrer erneut bedurfte. Sie wandte ihm ohne Neugier das schmale ovale Gesicht zu, fragte nichts und äußerte sich nicht. Zweifellos hatte sie schon viele junge Männer aus den Gemächern der Kaiserin kommen sehen, und das in mancherlei Gemütszustand: beschämt, hochgestimmt, ergeben oder verzweifelt, und vermutlich hatte sie nie zu erkennen gegeben, wie gut sie die Zeichen zu deuten vermochte. Yves nahm sich zusammen und machte das Beste aus seinem Abgang, indem er mit einer steifen Verbeugung an ihr vorüberging. Erst draußen im Hof, in der kalten Dämmerung des Novemberabends, hielt er inne, um Atem zu holen. Mit furchterregender Klarheit erinnerte er sich an jedes Wort, das im Verlauf seines kurzen Gesprächs mit der Kaiserin gesagt worden war.
    Ob die Kammerfrau den letzten Satz vollständig oder teilweise mitgehört hatte, während er durch die geöffnete Tür hinaustrat? Würde sie ihn - und wäre es nur einen flüchtigen Augenblick lang - ebenso deuten, wie er ihn verstanden hatte? Gewiß nicht, unmöglich! Jetzt fiel ihm ein, wer sie war. Sie stand ihrer Herrin näher als jede andere, denn sie war nicht nur die Witwe eines Ritters aus dem Gefolge des Grafen von Surrey, sondern auch eine geborene de Redvers aus einer Nebenlinie der Familie des Grafen von Devon, Baldwin de Redvers, der auf der Seite der Kaiserin stand. Eine Dame von einwandfreiem Adel, nicht nur alt und weise genug, um einer Kaiserin zu dienen, sondern auch, um deren Geheimnisse getreulich zu bewahren.
    Vielleicht sogar weise genug, nicht alles wahrzunehmen, was ihr zu Ohren kam. Sofern sie aber die letzten Worte mitbekommen hatte - welchen Sinn entnahm sie ihnen?
    Langsam überquerte er den Hof, vernahm erneut die eindringliche leise Stimme. Nein, gewiß mißverstand er den Sinn ihrer Worte. Sicherlich waren sie lediglich bitterer Ausdruck des ganz und gar verständlichen Hasses auf einen Mann, der sie verraten hatte. Was sonst durfte er von ihr erwarten? Nein, sie hatte auf keinerlei Handeln angespielt und es schon gar nicht befohlen. Solche Dinge sagt jeder von uns ins Leere, wenn uns die Leidenschaft hinreißt, ohne daß dahinter eine Absicht stünde.
    Und doch hatte sie ihn unmißverständlich angewiesen: innerhalb dieser Mauern dürft Ihr niemandem mit unverhüllter Feindseligkeit begegnen... Dann aber wieder: Ich muß allerdings gestehen, daß es mich nicht übermäßig grämen würde... Nun geht, Yves Hugonin! Ihr habt Verstand genug zu begreifen, was ich meine.
    Unmöglich! Er tat ihr bitteres Unrecht. Gewiß verdrehte und entstellte er den Sinn ihrer Worte. Er mußte und würde diese unwürdigen

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