Bruder Cadfaels Buße
sie schuldete ihm nichts. Er hatte sich außerdem mit voller Absicht ans hintere Ende des Zuges begeben, damit sein Anblick sie nicht an seine Anwesenheit erinnerte.
»Die Bande hat unseren Zug vermutlich über eine längere Strecke hinweg insgeheim von einem Berittenen beobachten lassen, um ihres Mannes sicher zu sein«, berichtete der Bote. »An einer Wegbiegung, wo die Bäume dicht stehen, schlugen sie dann zu. Es war alles im Nu vorüber.«
»Und in der Nähe von Deerhurst, sagt Ihr?« vergewisserte sich Cadfael. »Liegt das schon auf FitzRoberts eigenem Gebiet? Wie nahe stehen seine Burgen? Er ist so früh hier aufgebrochen, daß ihm ohne weiteres Zeit blieb, einen Hinterhalt zu legen. Offenbar hat er das von Anfang an für den Fall geplant, daß man ihm seine Pläne hier durchkreuzte.«
»Es sind von dort aus wohl an die zwanzig Meilen bis Cricklade, und bis Faringdon ist es noch weiter. Aber bis zu seiner neuen Burg bei Greenhamsted, die er vor einigen Wochen Robert Musard entrissen hat, ist es nicht weit. Sie liegt keine zehn Meilen von Gloucester entfernt.«
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»Und seid Ihr sicher«, fragte Hugh ein wenig zögernd, wobei er einen besorgten Blick auf Cadfael warf, »daß sie den jungen Edelmann gefangen davongeführt haben?«
»Keine Frage«, sagte der Bote ohne zu zögern. »Man konnte sehen, daß sie ihn unbedingt lebend wollten. Der Überfall lief wie am Schnürchen. Heutzutage ist man mit dem Blutvergießen ein wenig zurückhaltender. Schließlich haben Männer, die der einen Seite angehören, Verwandte auf der anderen, und diese könnten sich zur Rache veranlaßt fühlen. Seid unbesorgt, man hat ihn nicht getötet.«
Der Bote bekam in den Räumen des Priors eine Stärkung und durfte sich ausruhen. Der Bischof war in seinen Palast zurückgekehrt, um die Neuigkeit brieflich weiterzugeben, insbesondere nach Oxford und Malmesbury, denn in jener Gegend hatte der Überfall stattgefunden.
Zwar durfte man zweifeln, ob sich König Stephen zum Eingreifen aufraffen würde, doch erreichte die Nachricht von der Entführung des jungen Mannes sicherlich dessen Onkel in Devizes, der bei der Kaiserin einen gewissen Einfluß hatte. Keinesfalls durfte man irgendein Mittel unversucht lassen.
»Jetzt muß ich zwei Geiseln auslösen«, sagte Cadfael, nachdem er lange schweigend auf Hughs enttäuschtes und betrübtes Gesicht gesehen hatte. »Sofern ich um ein Zeichen gebeten hätte, hier ist es. Für mich besteht keinerlei Zweifel mehr daran, was ich zu tun habe.«
»Und ich kann dich nicht begleiten«, sagte Hugh.
»Du mußt dich um deine Grafschaft kümmern. Es genügt, wenn sich einer von uns seinen Aufgaben entzieht. Aber dürfte ich dein gutes Pferd behalten, Hugh?«
»Wenn du versprichst, es sicher zurückzubringen, mit dir im Sattel«, erwiderte dieser.
Sie verabschiedeten sich am Tor der Priorei. Hugh wollte in Begleitung seiner drei Reisigen nordwestwärts auf dem Weg zurückkehren, den sie gekommen waren, Cadfael hingegen zog es nach Süden. Sie umarmten einander flüchtig, bevor sie aufsaßen und sahen sich nicht um, als sie aus dem Tor auf die Straße ritten, wo sich ihre Wege trennten. Mit jedem Schritt, den die Pferde taten, dehnte sich das Band zwischen ihnen ein wenig mehr, wurde dünner, ein Haar, ein Spinnwebfaden - aber es riß nicht.
Cadfael kam gleichmäßig voran. Er nahm seine Umgebung kaum wahr, denn seine Gedanken beschäftigten sich mit dem Abreißen einer anderen Verbindung, als er sich südwärts statt heimwärts gewandt hatte. Mit einer Mischung aus starker Erleichterung und ebenso starkem Schrecken fühlte Cadfael, wie er plötzlich einen beklemmenden Zwang abschüttelte, der sein Leben in sich verschlossen hatte. Zuerst stellte sich das angenehme Gefühl ein, frei in der Welt umherzuziehen, und erst allmählich überwältigte ihn ein Entsetzen. Er war wortbrüchig geworden, hatte sich aus der Gemeinschaft der anderen ausgeschlossen, im vollen Bewußtsein dessen, was er tat.
Jetzt gab es für ihn nur noch eine Entschuldigung: Er mußte Yves und Olivier befreien. Falls ihm das mißlang, rechtfertigte nichts sein eigenmächtiges Fernbleiben vom Kloster. Er hatte seine Gelübde gebrochen, seine Mitbrüder im Stich gelassen, die Aussicht auf einen Platz im Himmel aufgegeben. »Du bist auf dich allein gestellt«, waren Abt Radulfus' Worte.
Zunächst mußte er sich eingestehen, daß es geschehen war, dann mußte er es akzeptieren. Danach konnte er gefaßt weiterreiten, sein eigener
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