Bruder Cadfaels Buße
Kaiserin mit ihrem Troß getan hatte. Gute, breite Reitwege, die fast immer in ebenem Gelände verliefen und sich nur ab und zu auf kurzen Strecken verengten, führten durch Waldland. An einer Biegung, wo die Bäume nahe an den Weg heranrückten, hatte der Bote gesagt. Da sich die Kaiserin dem Ende ihrer Reise näherte, hatte man in Evesham die Pferde gewechselt und danach vermutlich das Tempo verschärft, um das Ziel noch vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Die Nachhut war ein wenig zurückgefallen — ein Kinderspiel, den Trupp zu umzingeln und einen einzelnen Mann von den anderen zu trennen. Irgendwo hier also war es geschehen. Da der Vorfall zwei Nächte zurücklag, waren aber wohl auch die von mehreren Reitern hinterlassenen Spuren allmählich undeutlich geworden.
Südlich des Weges lichtete sich der dichte Wald ein wenig, so daß dort Gräser und andere Pflanzen gediehen.
An dieser günstigen Stelle hatte jemand eine Fläche gerodet. Einige Schritt beiseite duckte sich eine von einem niedrigen Holzzaun umgebene Kate unter den Bäumen, dahinter stand ein Stall. Cadfael hörte eine Kuh zufrieden muhen und sah am Rande des Grundstücks eine kleine Fläche, die bereits bewirtschaftet wurde. Ein Mann, vermutlich der Besitzer des Häuschens, grub innerhalb der Einfriedung und streckte den Rücken, als er das leise Klappern der Hufe auf dem Reitweg vernahm, um dem Ankömmling aufmerksam entgegenzuspähen. Beim Anblick des Benediktinermönchs entspannte er sich sichtlich, lockerte den Griff um den Spatenstiel und rief ihm über das runde Dutzend Schritte, das sie trennte, einen Gruß zu.
»Guten Tag, Bruder!«
»Gott segne Euer Tun!« gab Cadfael zur Antwort, zügelte sein Pferd und ließ es zwischen den Bäumen näher herangehen. Der vierschrötige, blauäugige Mann, dessen sonnengebräuntes Gesicht faltig wie die Schale einer Walnuß war, legte den Spaten zu Boden und wischte sich die Hände ab. Offensichtlich war er bereit, seine Arbeit für einen Plausch mit einem harmlosen Reisenden zu unterbrechen. Es sah ganz so aus, als lebe er allein auf seinem Besitz mitten im Wald, denn man hörte und sah weder in der Kate noch im Garten etwas, das auf die Anwesenheit anderer Menschen hinwies.
»Das scheint ja eine richtige Einsiedelei zu sein«, sagte Cadfael. »Sehnt Ihr Euch nicht bisweilen nach Gesellschaft?«
»Ach, ich bin die Stille gewöhnt. Sollte ich ihrer aber müde werden - ich hab einen verheirateten Sohn in Hardwicke, dort drüben, knapp eine Meile von hier, und an Feiertagen kommen die Enkel zu mir heraus. Ich hab genug Gesellschaft, und mir gefällt das Leben im Wald.
Wohin des Wegs, Bruder? Die Dunkelheit wird Euch bald einholen.«
»Ich gedenke die Nacht in Deerhurst zu verbringen«, sagte Cadfael gelassen. »Und Ihr, mein Freund, habt Ihr nie Schwierigkeiten mit wilden Männern, denen das Leben im Walde ebenfalls zusagt, wenn auch aus minder rechtschaffenen Gründen als Euch?«
»Ich kann mich meiner Haut wehren«, sagte der Kätner zuversichtlich. »Außerdem liegt den Rechtsbrechern nichts an kleinen Leuten wie mir. Hier reiten viele vorüber, bei denen es die Mühe eher lohnt, doch gibt es hier nicht viele Überfälle. Zwar bieten die Bäume gute Deckung, doch ist der Streifen Waldland nur schmal. Es gibt bessere Jagdgründe.«
»Das hängt gewiß von der Beute ab«, erwiderte Cadfael und musterte den Mann aufmerksam. »Vor zwei Tagen müßte hier ein großer Trupp auf dem Weg nach Gloucester vorübergezogen sein, etwa um diese Tageszeit, vielleicht eine Stunde weiter auf die Nacht zu. Habt Ihr ihn gehört?«
Der Mann hatte seine entspannte Haltung aufgegeben und betrachtete Cadfael nachdenklich mit zusammengekniffenen Augen. Offensichtlich war er auf der Hut. Cadfael hoffte, daß sein Mißtrauen nicht ihm oder seinen Fragen galt.
»Ich hab den Trupp gesehen«, sagte er ruhig. »Einem klugen Mann entgeht ein solches Lärmen nicht. Anfangs war mir nicht bekannt, wer da vorüberzog, heute weiß ich es. Die Kaiserin, die außer Königin schon alles war, ist mit ihren Gefolgsleuten von der Versammlung des Bischofs in Coventry nach Gloucester zurückgekehrt. Für Männer wie mich hat das Rascheln ihrer Röcke noch nie etwas Gutes bedeutet - allerdings gilt das auch für das Rascheln des Umhangs von König Stephen. Wir sehen den Großen zu, wenn sie vorüberziehen, und danken Gott, wenn sie vorbei sind.«
»Konnten sie in Frieden ziehen?« fragte Cadfael. »Oder wurde ihnen aufgelauert? Hat
Weitere Kostenlose Bücher