Bruder Cadfaels Buße
von allen sein Siegel unter das Abkommen gesetzt.«
Ohne seine Zustimmung wäre also offenbar der Übergang von der Kaiserin zum König nicht so reibungslos verlaufen. Hätte er sie verweigert, würden sich seine Leute und andere um ihn geschart haben, und es wäre zur Schlacht gekommen.
»Und am nächsten Tag?« fragte Cadfael.
»Am nächsten Tag ist er nicht zurückgekehrt. Die anderen Hauptleute schienen sich Sorgen zu machen - wie wir alle«, sagte Forthred mit unbeteiligt klingender Stimme. »Dann haben sich de Soulis und zwei, die ihm am nächsten standen, aufgemacht, um den Weg abzusuchen, den er nehmen mußte. In der Abenddämmerung haben sie ihn zurückgebracht. In einen Umhang gewickelt lag er auf einer Trage. Es hieß, sie hätten ihn schwer verwundet im Wald gefunden, wo er angeblich vom Pferd gestürzt war. Das reiterlose Tier hatten sie mitgebracht. Im Laufe der Nacht, hieß es am nächsten Tag, sei er gestorben.«
Im Laufe der Nacht gestorben. Aber in welcher?, überlegte Cadfael und spürte, daß eben diese Frage bitter in dem Mann brannte, der neben ihm saß. Ein Toter läßt sich leicht im Schütze der Dunkelheit beiseite schaffen - zum Beispiel noch am Abend des Verrats, zu dem er die Hand nicht hatte reichen wollen. In der folgenden Nacht konnte man ihn dann vor aller Augen tot zurückbringen und behaupten, er sei einem tragischen Unfall zum Opfer gefallen.
»Und beerdigt ist er dort in Faringdon«, sagte Forthred.
»Man hat uns den Leichnam nicht gezeigt.«
»Hatte er Frau oder Kinder?« fragte Cadfael.
»Nein. De Soulis hat einen Boten ausgeschickt, welcher der Familie de Cläre seinen Tod mitteilen sollte. Die Burg Faringdon stand jetzt auf ihrer Seite. Sie haben für ihn in gutem Glauben Messen lesen lassen.« Er hatte offenbar keine Vorbehalte gegen die Familie de Cläre.
»Ich habe das unbehagliche Gefühl, daß es noch mehr zu berichten gibt«, fuhr Cadfael zögernd fort. »Wie ist es so bald danach zu deiner Verwundung gekommen?«
Ein finsteres Lächeln trat auf das gefaßte Gesicht des Lahmen. »Ein gefährlicher Sturz vom Bergfried in den Burggraben. Mir sagte der neue Dienst nicht so zu wie der alte, aber das zu zeigen wäre nicht klug gewesen. Woher wußten sie es nur? Woher wissen sie es immer? Immer war jemand zwischen mir und dem Tor. Als ich mich von der Mauer herabließ, hat jemand das Seil durchgeschnitten.«
»Und man hat dich mit zerschmetterten Gliedmaßen hilflos dort liegengelassen?«
»Warum nicht? Ein Unfall kommt selten allein, nicht wahr? Aber ich konnte in Deckung kriechen. Dort haben mich rechtschaffene arme Menschen gefunden. Das Bein ist schlecht verheilt, aber ich lebe.«
Hier würde es eines Tages ungeheuerliche Schulden zu begleichen geben - der Wert eines Menschenlebens, der Preis für einen absichtlich und kaltblütig verstümmelten Leib. Mit einem Mal fühlte sich Cadfael von eigener Schuld niedergedrückt; immerhin hatte ihm dieser Mann rückhaltlos Vertrauen geschenkt, ohne zu wissen, ob er sich damit erneut in Gefahr begab. Sein Wissen würde vielleicht dazu beitragen, daß die Gerechtigkeit schließlich doch siegt, wie spät und auf welch verschlungenen Pfaden auch immer.
»Ich muß dir etwas sagen, Forthred, wonach du mich nicht gefragt hast. Dies Siegel, das dazu gedient hat, einen Verrat zu fördern, befindet sich zur Zeit in den Händen des Bischofs von Coventry. Es fand sich im Gepäck eines Mannes, der an der Versammlung dort teilgenommen hat und dort getötet wurde — noch weiß niemand, von wessen Hand. Dieser führte sein eigenes Siegel mit sich, was nicht ungewöhnlich ist. Aber außerdem hatte er jenes andere im Besitz, nach dem ich die Zeichnungen angefertigt habe, das Siegel Geoffrey FitzRichards aus der Familie de Cläre, wie ich von dir weiß. Es ist in der Satteltasche Brien de Soulis' von Faringdon nach Coventry gereist, wo jener durch einen Dolch, den ihm jemand ins Herz stieß, den Tod gefunden hat.«
Am anderen Ende des Kreuzgangs tauchte der Steinmetz auf, der an seine Arbeit zurückkehrte. Langsam erhob sich Forthred, um ihm zu folgen. Flüchtig trat ein frohes Lächeln auf sein finsteres Gesicht, das aber bald wieder seiner üblichen ausdruckslosen Miene wich. »Gott ist weder blind noch taub«, sagte er leise. »Und er vergißt auch nicht. Sein Name sei gelobt!« Damit trat er auf den Umgang und überquerte mit schleppendem Schritt das Gras des Klostergartens. Cadfael sah ihm nach.
Nunmehr gab es für Cadfael keinen
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