Bruder Cadfaels Buße
ganzem Herzen. Der andere - ich sagte ja, daß es zwei sind - ist ein Benediktinermönch aus Shrewsbury, der sich nach wie vor aus eigenem Entschluß in der Burg befindet. Er heißt Cadfael.«
Olivier stand erkennbar verwirrt da. Seine Lippen bewegten sich, wiederholten den ihm durchaus bekannten Namen, der völlig unerwartet genannt wurde. Schließlich sagte er zögernd:
»Wie kann das sein? Mönche verlassen ihr Kloster nur auf Anordnung ihrer Oberen - ihr Gelübde würde es nicht erlauben - und wieso hier? Um meinetwillen... ? Nein, unmöglich!«
»Ihr kennt ihn also? Sein Gelübde - ja, er bezeichnet sich als abtrünnig, er hat das Kloster ohne den Segen seines Abtes verlassen. Um Euretwillen. Laßt mir Gerechtigkeit widerfahren - Ihr habt selbst gesagt, daß ich nicht lüge. Ich habe diesen Mönch in Coventry gesehen. Dort versuchte er gleich Yves Euren Aufenthaltsort zu erfahren. Ich weiß nicht recht, auf welche Weise er dahintergekommen ist, daß Eure Spur hierher führt, aber es ist ihm jedenfalls gelungen, und er ist mit der Absicht gekommen, Euch auszulösen. Ich denke, daß Ihr das wissen solltet.«
»Ich verehre diesen Mann«, sagte Olivier. »Zweimal bin ich ihm begegnet und hatte beide Male Anlaß, ihm dankbar zu sein.
Aber er schuldet mir nichts, nicht das geringste.«
»Das war auch meine Ansicht, und ich habe es ihm gesagt«, stimmte Philip zu. »Aber er weiß es besser. Er ist zu mir gekommen und hat offen heraus erklärt, was er wollte. Euch. Er hat gesagt, es gebe Leute, die Euch gern freikaufen würden, und als ich fragte, um welchen Preis, hat er mich aufgefordert, ihn zu nennen. Er werde dafür sorgen, daß er gezahlt wird.«
»Das geht über meinen Verstand«, sagte Olivier verwirrt. »Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.«
»Daraufhin habe ich ihm gesagt, >Vielleicht ein Leben< und er hat erwidert, >Nehmt meins!<«
Langsam ließ sich Olivier auf die Decken seines Lagers sinken, zwischen der winterlichen Gegenwart und Erinnerungen zerrissen, die ihn frisch wie der Frühling bedrängten. Ein Benediktinermönch, ein Kuttenträger, der ihn wie einen Sohn behandelt hatte. Während sie gemeinsam in der Priorei von Bromfield darauf gewartet hatten, daß die Mitternacht und mit ihr die Matutin heranrückte, hatten sie Pläne auf den Boden gezeichnet, um die Wege zu finden, auf denen Olivier die ihm anvertrauten Menschen am besten von Stephens Gebiet in die Sicherheit von Gloucester zurückbringen konnte. Beim letzten Mal hatten sie unter den kräftig duftenden raschelnden Kräuterbüscheln gesessen, die in Cadfaels Arbeitsschuppen von den Deckenbalken hingen. Olivier hatte ihm vor seinem Aufbruch, ohne darüber nachzudenken, die Wange entgegengeneigt, damit er sie wie bei einem Blutsverwandten küsse, und seinen Abschiedsgruß ungeniert erwidert.
»Darauf habe ich ihn gefragt: >Welchen Grund hättet Ihr, mir anzubieten, daß Ihr Eure alten Knochen hier an Oliviers Stelle verfaulen laßt? Was bedeutet er Euch?<, und er hat gesagt: >Er ist mein Sohn<.«
Sie schwiegen lange. Mit einem Mal zischte die verlöschende Kerze, flüssiges Wachs lief über den Halter, der Docht sank seitwärts in die geschmolzene Masse und erlosch mit einem letzten Zucken der bläulichen Flamme.
Rasch hielt Philip die frische Kerze darüber, um in der Dunkelheit die letzte Glut zu erhäschen und setzte das erneuerte Licht fest auf den erstarrenden Stumpf. Als die Flamme hoch emporwuchs, wurden Oliviers Züge, die kurz von der Dämmerung verschluckt worden waren, wieder im Licht sichtbar. Er rührte sich nicht, und der Blick seiner vor Staunen weit aufgerissenen Augen ging in eine unendliche Ferne.
»Ist das wahr?« fragte er beinahe tonlos. Diese Frage aber galt nicht Philip, der nicht log. »Er hat es mir nie gesagt. Warum nicht?«
»Als er Euch kennenlernte, wart Ihr bereits erwachsen und standet im Leben Euren Mann. Ein Vater, der sich unvermittelt an Euren Arm gehängt hätte, würde Euch vielleicht von Eurem Weg abgebracht haben. Also hat er die Dinge gelassen, wie sie waren. Solange Ihr nichts davon wußtet, schuldetet Ihr ihm nichts.« Philip war, den Schlüssel in der Hand, einen oder zwei Schritte in Richtung auf die Tür zurückgetreten, blieb aber dann stehen, um seine letzte Äußerung zu ergänzen. »>Nichts als das Maß an Freundschaft und Zuneigung, das ein Mann dem anderen aus freien Stücken und im gegenseitigen Vertrauen gewährt<, hat er gesagt, denn solange Ihr nicht davon wußtet, wart
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