Bruder Cadfaels Buße
Ihr einfach ein Mann wie er. Es wird zwischen Vater und Sohn nicht so leicht sein, das weiß ich. Schulden greifen wuchernd um sich, und so manches Mal erweist sich der festgesetzte Preis als allzu hoch.«
»Dennoch kommt er, um alles für mich zu bieten«, stellte Olivier fest, fast ärgerlich mit diesem Paradox kämpfend. »Ohne Erlaubnis hat er seine Berufung, seinen Seelenfrieden und die Stille aufgegeben und bietet sein Leben. Er hat mich getäuscht!« sagte er. Es klang wie ein gequälter Aufschrei.
»Ich gebe Euch Gelegenheit, darüber nachzudenken«, erwiderte Philip aus der geöffneten Tür. »Ihr habt die ganze Nacht dazu, falls Ihr nicht schlafen könnt.«
Leise ging er hinaus und verschloß die Tür.
10. Kapitel
ves entfernte sich voller Verachtung über den offenen Damm. Solange man ihn vom Tor und vom Wehrgang darüber sehen konnte, ritt er zügig voran. Sobald er jedoch vor Blicken sicher war, suchte Yves nach einer Stelle, von der aus er zwischen den Bäumen auf die steinernen Umrisse der Burg zurückblicken konnte. Von so weit unten schien sie außerordentlich trutzig und eindrucksvoll emporzuragen, obwohl sie eigentlich nicht besonders stark befestigt war.
Philip hatte sie ohne großen Aufwand in die Hände bekommen, indem er ihrem Besitzer außerhalb seines Gebietes aufgelauert und ihn unter Drohungen gezwungen hatte, sie ihm abzutreten. Zwar war sie gut bemannt und gut in Schuß, ließ sich aber mit einer hinreichend großen Streitmacht gewiß einnehmen. Sie zu belagern schien nicht besonders aussichtsreich, denn es dauert viel zu lange, eine mit Vorräten wohlversehene Festung auszuhungern. Am ehesten durfte man einen Sieg erwarten, wenn man sich rasch entschloß und einen Sturmangriff mit allen verfügbaren Kräften führte.
Der Wald, den das gerodete Gelände von der Burg trennte, lag ihren Mauern dennoch nah genug, daß Yves dank seiner guten Augen imstande war, Einzelheiten, Bodenwellen und gegebenenfalls auch Schwachstellen zu entdecken, die Philip möglicherweise übersehen hatte. Je mehr nützliche Beobachtungen er mit nach Gloucester brachte, desto besser war es, und so schien es ihm durchaus der Mühe wert, einige Stunden mit der Beobachtung der Anlage zuzubringen.
Gründlich betrachtete er die Seite, die sich vom Damm aus darbot, kannte er doch bisher lediglich das Innere eines Verlieses unter einem der Türme, wohin man ihn gefesselt und mit verbundenen Augen gebracht hatte. Die Türme zu beiden Seiten des Torhauses boten Bogenschützen ein freies Schußfeld nicht nur quer über das Tor, sondern auch nach links und rechts hinüber zu den benachbarten Türmen. An jener Seite hatte man die Brustwehr nicht weitergebaut, denn eine Annäherung von dort war ohnehin äußerst schwierig. Yves wendete sein Pferd im Schutz des dichten Gebüschs; er wollte die Burg entgegen dem Sonnenlauf umreiten. Dabei würde er auch an die Stelle gelangen, an der das Gelände unterhalb des Dorfes anstieg und konnte von dort auf schnellstem Weg nach Gloucester reiten.
Vom Waldrand aus hatte er einen ungehinderten Blick auf den Nordturm und das Mauerstück dahinter. Im Winkel der beiden wand sich ein Rebstock bis dorthin empor, wo die Brustwehr begann. Er schien uralt zu sein, war mächtig wie ein Baum und jetzt im Winter blattlos. Es war möglich, überlegte Yves, daß sein Laub im Sommer zumindest eine der Schießscharten teilweise überdeckte.
Der Rebstock bedeutete aber keine große Gefahr für die Burg. Zwar mochte ein Mann, wenn er sehr geschickt zu klettern verstand, im Schutz der Nacht auf diesem Wege bis ans obere Ende der Mauer gelangen, aber kaum weiter.
Selbst dabei würde er sein Leben aufs Spiel setzen, denn sie war an jener Stelle bewacht: Ständig schritt ein Krieger zwischen den Türmen auf und ab. Yves bemerkte das Aufblitzen von Stahl. Trotzdem konnte es sich lohnen, die Stelle im Auge zu behalten. Er fragte sich, welche der vier Generationen der Musards den Rebstock gepflanzt haben mochte. Weinbau war in jener Gegend seit Jahrhunderten bekannt, schon die Römer hatten ihn betrieben.
Von den Zwillingstürmen am Torhaus abgesehen erhoben sich vier Türme über die Ringmauer, und auf jedem der Wehrgänge patrouillierte ein Wächter. Von Zeit zu Zeit mußte sich Yves tiefer in den Wald zurückziehen, um nicht gesehen zu werden. Er fuhr aber beharrlich mit seiner Erkundung der Anlage fort, immer darauf aus, mögliche Schwachstellen zu entdecken, doch er fand keine.
Bis er den letzten
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