Bruder des Schwertes
befand, daß er sehr betrunken war und daß man ihn, sobald er das Bewußtsein verlor, über das rückwärtige Geländer in die Gosse werfen würde, damit er dort seinen Rausch ausschlief oder im Schlamm erstickte.
Heath kümmerte das nicht. Er lag regungslos auf dem Eingeborenenlager, einem Holzgestell mit aufgespannten Häuten. Seine untere Gesichtshälfte war von einer Ledermaske bedeckt, durch die er den goldenen Rauch einatmete, der aus einer Schale neben ihm aufwallte. Er atmete, versuchte zu schlafen und konnte es nicht. Er wagte es nicht, die Augen zu schließen. Das würde er erst tun, wenn ihn das Bewußtsein verließ.
Da gab es einen Augenblick, dem er nicht entgehen konnte, eben dann, wenn sein benebelter Verstand über den Abgrund ins Vergessen glitt, wo ihn nur noch die geisterhafte Dunkelheit seines eigenen Unterbewußtseins erfüllte, und dieser Augenblick würde ihm wie eine Ewigkeit erscheinen. Danach würde er für ein paar Stunden Frieden finden.
Bis dahin würde er das Leben im Palast der Tausend Freuden an sich vorbeiziehen lassen.
Heath hob den Kopf. Neben seiner Schulter klammerte sich ein kleiner, schuppiger Drache an den Rahmen des Lagers und erwiderte seinen Blick mit Augen wie aus roten Juwelen, voll eigenartiger Sympathie und Intelligenz. Heath lächelte und lehnte sich zurück. Ein nervöses Zucken überkam ihn, aber die Droge hatte ihn entspannt, so daß es schnell vorüberging.
Nur das grünhäutige Mädchen aus den Tiefen Sümpfen, das seine Schale nachfüllte, kam in seine Nähe. Sie war nicht menschlich, und darum machte es ihr nichts aus, daß er David Heath war. Es war, als sei da eine Wand um ihn herum, durch die niemand zu treten oder zu blicken wagte.
Bis auf den Fremden natürlich.
Heath ließ seinen Blick schweifen. Über die lange, niedrige Bar, wo die einfachen Seeleute auf Kissen aus Moos und Häuten lagen und den billigen, scharfen Thul tranken. Über die Tische, wo die Kapitäne und Steuerleute mit ihren komplizierten Würfelspielen beschäftigt waren. Über das nackte Narhalimädchen, auf dessen Haut die winzigen Schuppen glitzerten, wenn es sich mit geschmeidigen, schlangenhaften Bewegungen im Fackellicht wand.
Die einzige, riesige Halle öffnete sich nach drei Seiten in die dampfende Nacht, und dort hinaus ließ Heath schließlich seinen Blick wandern, in die Dunkelheit und aufs Meer hinaus.
Dunkelheit auf der Venus ist nicht wie die auf der Erde oder dem Mars. Der Planet hungert nach Licht und will es nicht gehen lassen. Die Oberfläche der Venus sieht niemals die Sonne, doch selbst in der Nacht bleiben die Hoffnung und die Erinnerung daran zurück, gefangen in den ewigen Wolken.
Die Luft ist tiefblau und erfüllt von einem bleichen Glühen. Heath sah, wie der träge, heiße Wind in Schleiern aus Licht durch die Liha -Bäume trieb, die schlammigen Hafenbänke mit seinem trüben Schimmer berührte und sich im unruhigen Glanz des Meeres der Morgenopale verlor. Eine halbe Meile weiter südlich mündete der Omaz ins Meer. Er trug den Gestank der Sümpfe immer noch mit sich.
Meer und Himmel – das war David Heaths Leben und sein Verhängnis.
Die schweren Dämpfe wirbelten in Heaths Gehirn. Seine Atemzüge verlangsamten sich und wurden tiefer. Die Lider wurden ihm schwer.
Heath schloß die Augen.
Ein Ausdruck der Erregung, des Verlangens, kam über sein Gesicht, vermischt mit einer vagen Unruhe. Seine Muskeln spannten sich. Ein leises Stöhnen drang über seine Lippen, gedämpft durch die Ledermaske.
Der kleine Drache legte den Kopf zur Seite und beobachtete ihn, regungslos wie eine holzgeschnitzte Figur.
*
Heaths Körper, nur mit einem Eingeborenenkilt bekleidet, begann zu zucken. Er wand sich in spasmodischen Krämpfen. Der Ausdruck der Unruhe in seinem Gesicht vertiefte sich, wich nach und nach dem des blanken Entsetzens. Die Sehnen in seinem Hals traten hervor wie Stricke, als er zu schreien versuchte und es nicht konnte. Schweiß stand in dicken Tropfen auf seiner Haut.
Der kleine Drache öffnete plötzlich die Flügel und stieß einen zischenden Schrei aus.
Heath war in seiner Alptraumwelt gefangen, die unter mächtigen Tönen erbebte. Aus einem leuchtenden Nebel drängten sich ihm riesige Schatten entgegen. Er war wahnsinnig, fast tot vor Angst. Sie zermalmte ihm den Leib; seine schwachen Knochen zerbarsten zu Staub, das Herz zersprengte ihm die Brust, sein Gehirn war ein Teil des Nebels, glühend, brennend. Er riß sich die Maske vom
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