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Bruder des Schwertes

Bruder des Schwertes

Titel: Bruder des Schwertes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald A. Wollheim
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verschwommener Blick machte die breite, fette Gestalt Kalrunas aus, als dieser nähertrat. Selbst in der Tiefe seiner Qual konnte er ein hilfloses Lachen nicht unterdrücken. Über drei Jahreszeiten hatte Kalruna dem überlieferten Gesetz gehorcht. Er hatte dem Paria, der der Rache der Götter geweiht war, der Götter, die das Geheimnis des Mondfeuers so eifersüchtig hüteten, zu essen und zu trinken gegeben. Jetzt war Kalruna von Zweifeln erfüllt und sehr zornig.
    Heath begann, laut zu lachen. Die Wirkung seines unterbrochenen Trips machte ihn leichtsinnig und hysterisch. Er setzte sich auf seinem Lager auf und lachte ihnen ins Gesicht.
    »Ich war nur am Rand«, sagte er. »Ich bin kein Gott. Ich bin nicht einmal mehr ein Mensch. Aber ich kann es euch zeigen, wenn ihr es wollt.«
    Er kam auf die Füße, und als er sich aufrichtete, machte er mit einer Bewegung, die so automatisch war wie das Atemholen, den kleinen Drachen los. Einen Moment stand er da und kämpfte mit dem Gleichgewicht, dann durchquerte er mit langsamen und unsicheren Schritten, doch mit störrisch erhobenem Kopf den Raum. Die Männer wichen zurück, um ihm Platz zu machen, und er trat zwischen ihnen hindurch, bis er an das Geländer kam.
    »Löscht die Fackeln«, befahl er. »Alle bis auf eine.«
    Kalruna meinte zögernd: »Es ist nicht nötig. Ich glaube dir.«
    Angst stand jetzt im Saal – Angst und Faszination. Jeder blickte zur Seite, auf der Suche nach einem Ausweg, doch keiner ging fort.
    »Löscht die Fackeln«, wiederholte Heath.
    Der hochgewachsene Fremde streckte die Hand aus und löschte die nächstgelegene Fackel in einem Kübel, und bald verbreitete sich Dunkelheit über die ganze weite Halle, bis auf eine Fackel im Hintergrund.
    Heath stand gegen das Geländer gebeugt und starrte hinaus in die heiße, tiefblaue Nacht.
    Nebel lag dicht über dem Meer der Morgenopale. Er kroch aus dem Schlamm und hing in Wolken über den Sümpfen. Der träge Wind stieß ihn in langen Fahnen vor sich her, blauweiß und schimmernd gegen das tiefere Dunkel der Nacht.
    Heath blickte hungrig in den Nebel. Den Kopf in den Nacken gelegt, den ganzen Körper dem Himmel entgegengestreckt, hob er die Arme in einer Geste verzweifelter Sehnsucht.
    »Ethne«, flüsterte er. »Ethne.«
    Fast unmerklich kam eine Veränderung über ihn. Er war nicht mehr das ausgemergelte Wrack von einem Menschen, das er gewesen war. Er stand aufrecht und fest, und über den langen, starken Knochen spannten sich kraftvoll und schön die Muskeln unter der Haut.
    Mit seinem Gesicht war ein noch größerer Wandel vor sich gegangen. Macht lag darin. Die dunklen Augen brannten in einem tiefen Feuer, glühten in einem übermenschlichen Licht, bis sein ganzer Kopf wie von einer strahlenden Aureole umgeben war.
    Für einen kurzen Augenblick trug David Heaths Gesicht die Züge eines Gottes.
    »Ethne«, sagte er.
    Und sie kam.
    Aus der blauen Dunkelheit, aus dem Nebel schwebte sie zart und lieblich dem Erdmenschen entgegen. Ihr Körper war aus glühender Luft gemacht, aus den weichen Tropfen des Nebels, geschaffen aus jener Kraft, die in Heath verborgen lag.
    Sie war jung, nicht älter als neunzehn. Der rosige Hauch der Sonne war noch in ihren Wangen. Ihre Augen waren weit und hell wie die eines Kindes, ihr Körper von der süßen Schlankheit der Jugend.
    Ich weiß noch, wie ich sie zum erstenmal sah. Sie kam die Laderampe hinunter. Zum erstenmal war sie auf der Venus. Der Wind spielte in ihren Haaren, und sie ging so leicht und lebhaft wie ein Füllen an einem Frühlingsmorgen. Sie war immer sorglos und fröhlich, sogar, als sie in ihren Tod ging.
    Die schattenhafte Gestalt lächelte und streckte die Arme aus. Ihr Gesicht war das Gesicht einer Frau, die die Liebe gefunden hat.
    Näher und näher kam sie zu Heath. Er streckte ihr die Hand entgegen, um sie zu berühren.
    Und in einem flüchtigen Augenblick war sie verschwunden.
    Heath fiel vornüber gegen das Geländer. So blieb er eine lange Zeit. Es war kein Gott mehr in ihm, keine Kraft. Er war wie eine plötzlich ausgebrannte Flamme, deren Asche langsam in sich zusammenfiel. Aus den geschlossenen Augen rannen ihm Tränen über die Wangen.
     
    *
     
    In der dampfenden Dunkelheit des Saales sprach keiner ein Wort.
    »Ich ging nicht weit genug hinein«, sagte Heath, »in das Mondfeuer.«
    Nach einer Weile richtete er sich auf und ging auf die Stufen zu. Wie ein Blinder tastete er sich dabei am Geländer entlang. Er stieg die vier Stufen aus

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