Bruder des Schwertes
in die Augen, und die Augen Vakors waren leuchtend und wild, die Augen eines Fanatikers. Er war noch jung. Sein Körper war männlich und stark, seine Gesichtszüge feingeschnitten, der Mund voll und sinnlich und stolz. Er war außer sich vor Wut und Enttäuschung, und seine Stimme gellte gegen den Wind wie das Heulen eines Tieres.
»Wir werden euch folgen! Wir werden euch folgen, und die Götter werden siegen!«
Und als die rasende Fahrt der Lahal ihn hinwegtrug, hörte Heath noch das letzte Echo eines Schreis:
»Alor! «
Mit seiner letzten verbleibenden Kraft beruhigte Heath sein aufgebrachtes Schiff und ließ es nach Steuerbord abfallen. Broca und Alor kamen langsam wieder auf die Beine. Broca meinte: »Ich dachte schon, du hättest Kleinholz aus ihr gemacht.«
»Sie haben mir den Wind genommen«, erklärte Heath. »Ich konnte nicht anders herumkommen.«
Alor trat ans Heck und beobachtete, wie die Lahal unter Schlingern und Stampfen versuchte, ihre rasende Fahrt zu stoppen. »Vakor!« flüsterte sie und spuckte ins Meer.
Broca sprach: »Sie werden uns folgen. Alor hat es mir erzählt – sie haben eine Karte, die einzige, auf der das Mondfeuer eingezeichnet ist.«
Heath hob die Schultern. Er war zu müde, um sich Sorgen zu machen. Er zeigte nach rechts.
»Dort führte eine starke Meeresströmung entlang, eine Art Fluß im Ozean. Die meisten Schiffer fürchten sie, aber ihre Schiffe sind nicht wie die Ethne. Wir werden uns ihr anvertrauen. Der Rest ist Glückssache.«
Alor drehte sich um. »Dann willst du also doch zum Mondfeuer?«
»Davon habe ich nichts gesagt. Broca, bring mir die Flasche aus dem Spind in der Kabine.«
Aber es war die Frau, die sie ihm holte. Sie sah zu, wie er trank, dann sagte sie: »Sonst ist alles in Ordnung mit dir?«
»Ich bin am Sterben, und sie fragt mich so etwas«, knurrte Heath.
Sie blickte ihm einen Augenblick fest in die Augen, und seltsamerweise lag kein Spott in ihrer Stimme, als sie sprach, eher Respekt.
»Du wirst nicht sterben«, sagte sie und wandte sich ab.
Kurze Zeit später wurde die Ethne von der Strömung erfaßt und von ihr nach Norden getragen. Die Lahal verschwand im Nebel achteraus. Sie war schwerfällig bei komplizierten Manövern, und Heath wußte, daß Johol es nicht wagen würde, sie in die Wirbel der Strömung zu steuern.
Nahezu drei Stunden lang blieb er auf seinem Posten und lenkte das Schiff durch die Strudel. Als die Meeresströmung nach Osten abschwenkte, steuerte er es in das stille Wasser hinaus. Dann fiel er auf den Boden des Decks und schlief.
Ein zweites Mal nahm ihn der große Barbar wie ein Kind in die Arme und legte ihn in seine Koje.
Den ganzen restlichen Tag und die lange venusische Nacht hindurch, während Broca am Steuer stand, lag Heath im Schlaf. Alor saß bei ihm und wachte über ihn, wenn die Schatten der Alpträume sein Gesicht verfinsterten, hörte ihm zu, wenn er redete und stöhnte, und beruhigte ihn, wenn es am schlimmsten wurde.
Wieder und wieder flüsterte er Ethnes Namen, und ein fragender, seltsam wehmütiger Ausdruck trat in Alors Augen.
Als es Morgen wurde, erwachte Heath und ging an Deck. Broca fragte mit barbarischer Offenheit: »Hast du dich entschieden?«
Heath gab keine Antwort, und Alor sagte: »Vakor wird dir auf den Fersen bleiben. Das Wort ist über die ganze Venus gegangen, überall hin, wo es Menschen gibt. Es gibt keine Zuflucht für dich – außer einer.«
Heath lächelte freudlos. »Und das ist das Mondfeuer. Ihr macht es alles so einfach.«
Und doch wußte er, daß sie die Wahrheit sprach. Die Kinder des Mondes würden sich durch nichts von seiner Spur abbringen lassen. Er war eine Ratte in einem Labyrinth, und jeder Weg führte in den Tod.
Doch es gab verschiedene Arten, zu sterben. Wenn er schon sterben mußte, dann nicht so, wie Vakor es wollte, sondern mit Ethne – einer Ethne, die wirklicher war als ein bloßer Schatten – in seinen Armen.
Er erkannte jetzt, daß er es tief in seinem Innern immer schon gewußt hatte die mehr als drei Jahreszeiten lang, während er an einem Leben gehangen hatte, das nicht mehr lebenswert war. Er hatte gewußt, daß er eines Tages wieder zurückgehen würde.
»Zum Mondfeuer also«, sagte er. »Und vielleicht werden wir alle zu Göttern.«
Broca entgegnete verächtlich: »Du bist schwach, Erdmensch. Du hattest nicht den Mut.«
Heath sprach nur ein Wort:
»Warte.«
3.
Die Tage und Nächte gingen vorüber, und die Ethne floh nordwärts über
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