Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)
aus.
Nicht ausgeschlossen, dass der ein oder andere Kollege von mir auf die Idee käme, dass du für die Eltern des Mädchens einen schmutzigen Auftrag übernommen hast.
Und Valerie de Chavannes drei Tage zuvor: Ich frage mich, wie weit würden Sie in dieser Richtung gehen…? Bei entsprechender Bezahlung natürlich.
Auf eine hartnäckige und überzeugende Lüge, dass sie das Angebot nie gemacht habe, mochte ich nicht zählen. Im Gegenteil, ich war überzeugt: Ein längeres Verhör bei der Polizei oder eine verschärfte Befragung durch Hakims Leute, und sie würde ihnen, um selber möglichst ungeschoren davonzukommen, den Happen hinwerfen. »Okay, wir haben darüber geredet, Abakay… Nun ja, Sie wissen schon. Aber ich habe das natürlich nicht ernst gemeint. Es war nur so ein Gedankenspiel. Aber vielleicht hat Herr Kayankaya… Ich kenne ihn ja kaum, aber er war sehr engagiert, und ich glaube, er mochte mich auch ganz gerne… »
Ja, darauf hätte ich schon sehr viel eher gezählt.
Ich musste Valerie de Chavannes also davon überzeugen, in Zukunft gegenüber wem auch immer jede Verbindung zu mir abzustreiten, ohne ihr damit Angst zu machen. Nicht, dass sie sich in Panik noch selber an die Polizei wandte. Und ich wollte sie in dem Glauben lassen, dass die Beweislage gegen Abakay nach wie vor felsenfest stand. Bloß keine Aufregung, alles lief prima, Kayankaya hielt die Zügel fest in der Hand.
Ich tippte Valerie de Chavannes Nummer ins Telefon. Während es klingelte, ertappte ich mich dabei, wie ich an ihre schmalen Füße in den silbernen Sandalen dachte.
»De Chavannes.«
»Guten Tag, Kayankaya hier. Alles in Ordnung bei Ihnen?«
»So würde ich es nicht ausdrücken, aber es ist nichts vorgefallen, falls Sie das meinen.«
Ihr Ton war kühl – so kühl, wie ein Ton nur sein konnte, ohne offen unfreundlich zu wirken. Trug sie mir etwa nach, dass sie, als sie mich für einen Mord anheuern wollte, abgeblitzt war? Oder bekam ich einfach nur den üblichen De-Chavannes-Ton? Ich erinnerte mich, bei unserem ersten Treffen hatte sie anfangs ähnlich geklungen.
»Ja, das meinte ich. Wie geht’s Marieke?«
»Ich weiß nicht. Sie wirkt ziemlich verzweifelt, wie unter Schock. Sie redet nicht mit mir. Sitzt den ganzen Tag in ihrem Zimmer und hört Jack Johnson.«
»Na, da wär ich aber auch verzweifelt.«
Wenn Hanna bei Deborah in der Weinstube jobbte, brachte sie immer Jack Johnson mit. Sie hielt das für Musik, die auch erwachsenen Rotweintrinkern gefallen musste.
»Sehr lustig.«
»Ich geb mir Mühe. Ich hatte das Gefühl, Marieke ist ’ne kräftige Person. Die geht nicht so leicht unter.«
»Geht sie auch nicht. Aber wenn, dann richtig.«
»Tut mir leid.«
»Aber deshalb haben Sie nicht angerufen.«
»Nein. Ich wollte Ihnen mitteilen, dass mich die Polizei – also der im Fall Abakay zuständige Beamte – in seinem Protokoll als Zeuge genannt hat, obwohl ich ihm das Versprechen abgenommen hatte, meinen Namen aus der Sache rauszuhalten. Na ja, er kennt mich und mag mich nicht besonders, da hat er die Gelegenheit genutzt, mir eins auszuwischen.«
»Warum wischt er Ihnen damit eins aus?«
»Weil nun natürlich früher oder später die Frage nach meinem Auftraggeber auftaucht. Das Gericht wird wissen wollen, was ich bei Abakay zu suchen hatte, und Abakays Anwälte werden ihr Möglichstes tun, mich als Zeugen unglaubwürdig zu machen – von wegen meine Klientin habe mich dafür bezahlt, Abakay mit Dreck zu beschmeißen, und da hätte ich mir eben was ausgedacht. Na ja, kaum ein Klient möchte in einem Strafprozess beim Namen genannt werden – ich nehme an, Sie gehören nicht zu den Ausnahmen –, und kein Privatdetektiv möchte dafür bekannt sein, die Namen seiner Klienten nicht schützen zu können. Darum möchte ich Sie bitten, falls irgendjemand im Zusammenhang mit Abakay auf Sie zukommt, jeden Kontakt zu mir abzustreiten. Wenn Sie meinen Namen irgendwo notiert haben oder meine Visitenkarte bei Ihnen rumliegt, lassen Sie alles verschwinden.«
»Sie meinen, vielleicht bricht jemand bei uns ein?« Ihr Ton blieb unverändert kühl. Vielleicht etwas zu kühl. Als ob ein Einbruch sie nach all den Ereignissen nicht mehr schrecken könne. Aber womöglich war es so. Umso besser.
»Nein, aber ein halbwegs geschickter Privatdetektiv könnte sich als Mann von den Stadtwerken ausgeben und bei Ihnen im Haus herumschnüffeln, oder er lädt Ihre Haushälterin zum Kaffee ein und horcht sie aus, wer in letzter
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