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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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ich zurück in den Opel und fuhr ins Bahnhofsviertel.
    Scheich Hakim saß an dem von mir reservierten Tisch. Vor sich ein Glas Wasser. Er hatte keine Leibwächter dabei. Oder jedenfalls sah ich keine. Vielleicht vertraten sie sich draußen die Beine.
    Um diese Uhrzeit hielten sich im ›Haxen-Herbert‹ nur noch wenige Gäste auf, die meisten tranken still ihr Bier. Ausgenommen zwei alte Männer in feinen Tweedanzügen, die sich lautstark redend und lachend über die Fleischberge auf ihren Tellern und eine Flasche Schnaps hermachten. Kellner waren keine zu sehen, vermutlich standen sie im Hof und rauchten. Eine Putzfrau hatte angefangen, den Boden zu wischen, und der Geruch des Putzmittels mischte sich mit dem der Spezialität des Hauses. Den ›Haxen-Herbert‹ gab es seit über vierzig Jahren, und die Vorhänge und Sitzpolster waren meines Wissens nie gewechselt worden. Selbst wenn nicht den ganzen Tag gegrillte oder gekochte Haxen serviert worden wären, hätte es aus jeder Pore des Gastraums nach Schweinefett gerochen. Dass ich Scheich Hakim hierherbestellt hatte, war ein Nazischerz.
    »Nett hier«, sagte er, nachdem wir uns begrüßt hatten.
    »Ich wusste, dass es Ihnen gefallen würde.«
    Im Vergleich zu den Fotos, die ich von ihm im Internet gesehen hatte, wirkte Scheich Hakim älter, dünner, eingefallener, grauer – ein unscheinbarer kleiner, fast kahler Mann im schwarzen Anzug. Wahrscheinlich richteten sie ihn für Fotos und öffentliche Auftritte mit Schminke her. Ich meinte sogar, mich zu erinnern, dass er auf manchen, auch jüngeren, Fotos volles, dichtes Haar besaß. Trug er zu öffentlichen Anlässen ein Toupet?
    »Vielen Dank für das heilige Büchlein.« Ich zog meine Jacke aus und setzte mich ihm gegenüber. Er betrachtete mich mit kaltem Lächeln.
    »Bin schon fast am Ende und sehr gespannt, wie es ausgeht.«
    Er lachte hüstelnd, wie ich es vom Telefon kannte, das Lächeln wurde ein wenig breiter, aber kein bisschen wärmer. »Es liegt ganz in Ihren Händen, wie es ausgeht.«
    »Das Büchlein?«
    Er antwortete nicht. Im selben Moment kam ein Kellner aus der Küche, erblickte mich und kam zu unserem Tisch.
    »Für mich auch ein Wasser, bitte.«
    Als der Kellner gegangen war, fragte ich: »Oder Methats Beschattungsversuche?«
    Ohne den Blick von mir zu nehmen, griff er behutsam nach seinem Glas und nahm einen kleinen Schluck, ehe er es ebenso behutsam wieder zurückstellte. Mit der Zunge leckte er sich über die Oberlippe.
    »Wenn ich ihn in die Finger kriege, kann er jedenfalls was erleben.«
    Diesmal war sein Lachen ziemlich natürlich. Vermutlich maß Methat an die zwei Meter und verbrachte viel Zeit im Fitnessraum. Um meine Bürotür eindrücken zu können, musste er eine Menge Kraft besitzen.
    »Herr Kayankaya«, sagte Hakim schließlich, »lassen wir das Gerede. Ich möchte, dass Sie die Aussage gegen meinen Neffen zurückziehen. Und zwar gleich morgen. So wie ich die Anwälte meines Neffen verstanden habe, ist das nicht zuletzt in Ihrem eigenen Interesse. Ihre Behauptungen bezüglich dessen, was sich an dem Vormittag in der Wohnung meines Neffen abgespielt haben soll, seien vor Gericht so unhaltbar, dass Sie, nach den Worten der Anwälte, wegen Falschaussage höchstwahrscheinlich selber im Gefängnis landen würden. Noch ist Zeit, das Ganze einer momentanen Verwirrung oder zum Beispiel…«, er machte eine kurze Pause, »…der Eifersucht zuzuschreiben.«
    »Der Eifersucht?«
    »Nun, die Anwälte hegen den starken Verdacht, dass Sie an dem Morgen im Auftrag von Frau de Chavannes unterwegs waren…«
    »De Chavannes? Nie gehört.«
    Er betrachtete mich ausdruckslos, dann zuckte er mit den Achseln. »Ist ja auch egal, Sie werden schon irgendeine Entschuldigung finden. Wie wir alle wissen, verfügen Sie über ausreichend Phantasie.«
    »Danke.«
    Der Kellner brachte mein Wasser, und ich trank einen Schluck. Hakim sah mir zu. Vielleicht war es nur Theater, aber er schien sich seiner Sache sehr sicher zu sein. Hatte er eine Überraschung für mich? Wartete um die Ecke vom ›Haxen-Herbert‹ eine Gruppe Gotteskrieger, die mir, falls ich mich weigerte, die Aussage zurückzuziehen, die ungläubige Seele aus dem Leib prügelte? Oder hatten sich Methat und seine Helfer, während wir hier sprachen, wie normale Gäste in die Weinstube gesetzt und warteten darauf, dass Deborah vor die Tür gehen und eine Zigarette rauchen würde? Zack, eins übern Kopf und ab nach Praunheim. Plötzlich fiel mir der

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