Bruderdienst: Roman (German Edition)
könnten Sie kaum feststellen. Die Milliarde schwimmt in einem Strom anderer Milliarden, oder sie liegt irgendwo zusammen mit anderen Milliarden. Aber die Regel ist, dass keine einzige dieser Milliarden irgendwo als Milliarde existiert. Da setzt sich eine Milliarde durchaus aus Hunderten von Einzelmillionen zusammen. Die Milliarde kommt erst dadurch zustande, dass ich sie nach Absprache beim Anleger anfordere, weil er das so will. Bei dem Hochgeschwindigkeitskapitalismus von heute, bei dem internationale Großanleger Fonds wie meinem irrwitzige Summen andienen wollen, weil sie damit Geld machen können, ist eine einzelne Milliarde geradezu ein Staubkorn. Ich kann meinen Anlegern versichern, dass sie runde dreißig bis vierzig Prozent Gewinn machen, wenn sie einsteigen. Das ist dermaßen viel Ertrag, dass niemand darauf verzichten möchte, auch wenn es sich um ein Risikogeschäft handelt. Sie sprachen von TCI, einer Gesellschaft meines Freundes Christopher Hohn. Sehen Sie, er und seine Frau sind enge Freunde, wir sehen einander oft. Christopher ist ein Finanzgenie. Harvard-Absolvent, genau wie ich. Seine Frau Jamie erhielt zuletzt für ihre Stiftung für die aidskranken Waisenkinder in Afrika und Indien eine Spende von einhundert Millionen Euro – von ihrem eigenen Mann. Schließlich heißt seine Gesellschaft ja The Children’s Investment Fund .« Ben Wadi wirkte jetzt wie ein Missionar, der unbedingt seine Botschaft an den Mann bringen will. »Ist das nicht großartig?«, fragte er sehr direkt, wobei seine Augen eindeutig vor Begeisterung schimmerten.
»Das ist sicher großartig«, nickte Müller und konnte sich nicht verkneifen, sarkastisch hinzuzusetzen: »Gleich kommen mir die Tränen. Nehmen wir an, Sie verfügen über rund zwanzig bis dreißig Milliarden Euro. Sie arbeiten sehr aggressiv mit diesem Geld. Sie übernehmen zu Teilen eine Bank wie die niederländische ABN AMRO, filettieren sie, verkaufen die Edelteile, nehmen den Gewinn mit. Können Sie im Rahmen Ihrer Geschäfte eine Atombombe kaufen und so bezahlen, dass man den Käufer nicht entdeckt?«
Ben Wadi nickte. »Selbstverständlich kann ich das. Wenn ich das richtig verstehe, verknüpfen Sie jetzt in Ihrer Fantasie zwei Geschäfte miteinander: Ich gehe eine Beteiligung bei meinem Freund von derTCI ein, sage also eine genaue Summe an, stelle die zur Verfügung. Ich weiß natürlich, dass die niederländische AMRO wie ein schwerfälliges Schiff irgendwo dümpelt und ihre Manager arrogant der Meinung anhängen, sie sei so mächtig, dass niemand ihr etwas anhaben könne. Dann schlage ich zu. Und ganz nebenbei kaufe ich für eine Milliarde eine Atombombe. Kann man diese Geldströme so lenken, dass die Milliarde für die Bombe gewissermaßen nebenbei abfällt? Die Antwort lautet: ja.«
»Mich interessiert immer noch am meisten, wie Sie denn vermeiden können, dass man den Weg der Milliarde bis zu Ihnen zurückverfolgen kann.«
»Sie sind ein Sauhund!«, sagte Ben Wadi trocken. »Aber ein cleverer. Ich habe Ihnen keine Antwort versprochen, aber hier ist sie: Ich lasse aus sämtlichen Himmelsrichtungen die Millionen in Richtung der Konten der Nordkoreaner tropfen. Zunächst auf international tätige Banken rund um den Erdball. Ich nehme an, die Nordkoreaner haben Konten bei den Chinesen, Japanern, in Macau und wo auch immer. Nicht einmal die Empfängerbanken dort können entschlüsseln, wer im Einzelnen die Gelder geschickt hat, denn diese Absender können sich hinter Hunderten von Firmen verbergen, über die absolut nichts bekannt ist und die möglicherweise nur einen Monat lang bestehen. Ihr Deutschen habt eine schreckliche Eigenschaft: Ihr wollt immer alles ganz genau wissen. Die meisten klugen Banker haben sich aber auf die Fahnen geschrieben, niemals alles wissen zu wollen. Mithilfe dieser Weisheit bleiben sie am Leben und ihre Bank im Geschäft.«
»Sie sind ein guter Mitspieler«, lobte Müller. »Nehmen wir an, Sie haben die Atombombe gekauft. Würden Sie das Ding selbst abholen? Oder es sich bringen lassen?«
»Ich würde den Transport auf keinen Fall den Nordkoreanern überlassen, denn die haben zwar sicher helle Köpfe, sind aber nur in geringem Maß auf die Möglichkeiten des modernen Planeten vorbereitet. Bis zur Landesgrenze werden sie es noch heimlich schaffen, aber danach wird es schwierig. Ich weiß nicht, wie das am besten zu bewerkstelligen ist. Ich würde sagen, ich habe Hunderte von Transportmöglichkeiten, und ich habe
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