Bruderdienst: Roman (German Edition)
einem koreanischen Text über der Hauptstadt abgeworfen. Kommt gleich auf CNN. Der amerikanische Präsident will nicht länger warten. Er hat angeblich die Briten aufgefordert, ihn zu unterstützen. Uns natürlich nicht.«
»Das ist auch gut so«, sagte Krause. »Wir kriegen hier jede Stunde die absurdesten Gerüchte geliefert. Gibt es Neues von der Wiener Atomenergieorganisation?«
»Nichts Neues«, sagte der Präsident. »Was sagt unser neues Terrorismusabwehrzentrum?«
»Sie haben nichts Konkretes, niemand hat etwas Konkretes. Ich nenne diese kleine Truppe hier AB. Nur, damit Sie wissen, wohin Sie sich zu wenden haben.« Er lachte leise.
»Bis später«, sagte der Präsident.
Krause rief Sowinski an und erklärte: »Ich würde mir gern die Arbeitsgebiete von Wu anhören. Holen wir uns die Dame?«
»Svenja ist ohnehin im Dienst geblieben. Ich rufe sie.«
Eine halbe Stunde später erschien Svenja, sie sah müde aus, verlor aber kein Wort darüber, sondern sagte stattdessen: »Auf N24 hieß es vor ein paar Minuten, dass es einen Überläufer gibt, einen General. Stimmt das?«
»Haben wir noch nicht«, sagte Sowinski. »Kommt aber noch, wenn etwas dran ist.«
Krause fragte: »Kaffee?«, und als sie nickte, bestellte er welchen im Sekretariat.
»Wir möchten noch einmal kurz auf Wu zurückkommen, der Sie damals fuhr. Da gibt es noch Lücken. Wir fragen uns, wie jemand wie Wu, der für die Amerikaner tätig ist, auch die chinesische Botschaft in Pjöngjang beliefern kann, und das alles mit einem GMC-Truck, den ihm die amerikanischen Brüder spendierten. Sie müssen zugeben, dass das äußerst ungewöhnlich ist.«
»Aber wir kennen doch ähnliche Beispiele aus der Zeit des Kalten Krieges in Moskau. Es hat vermutlich damit angefangen, dass der chinesische Botschafter in Nordkorea feststellte, dass die Lebensmittel der Nordkoreaner schlecht sind. Also hat er sich welche liefern lassen. Manchmal kamen die nicht, weil ein Lkw schrottreif war oder weil es in Nordkorea keinen Sprit gab. Und da kamen die Amerikaner ins Spiel und machten den Vorschlag, einen schnellen amerikanischen Truck zur Verfügung zu stellen. Und sie fanden Wu, der das Ding fuhr. Das muss jetzt drei Jahre her sein. Wu fuhr die Botschaft der Chinesen in Pjöngjang an, lieferte die Lebensmittel. Fuhr aber gleichzeitig Forellenfilets aus Nordkorea zu den Amis in Peking. Und Flusskrebse und so etwas. Wenn die Amis in Peking Party machten, und das machen die oft, gaben sie den Chinesen eine Liste mit den Sachen, die sie brauchten. Und Wu besorgte alles bei den verschiedenen Stellen.«
»Aber das sind doch riesige Entfernungen«, wandte Sowinski ein.
»Das stimmt. Aber Wu fährt gern Auto, und wenn es ganz dringend ist, fährt er den nächsten Flughafen an, verschickt die Lieferung per Luftfracht und spart so dreitausend oder viertausend Kilometer. Auf jeden Fall ist Wu der mit Abstand bekannteste Trucker in China. Denn es kam natürlich hinzu, dass die Parteigrößen in Chinas Provinzen sich Wu begeistert unter den Nagel rissen, hol mir dies, bring mir das. Und sie bezahlten dafür. Es kann sein, dass er schon mal den neuesten BMW der Fünfer-Klasse durch die Gegend transportiert oder einen Jeep. Es heißt, mit Wu läuft alles. Ich habe es selbst erlebt, dass die Leute auf den Straßen ihn begeistert grüßen, wenn er vorbeidonnert. Er ist stolz auf seinen Ruf, und das zu Recht. Niemals fährt er ohne einen riesigen Vorrat an Diesel durch die Gegend, damit er unabhängig ist. In China gibt es zwar Tankstellen, aber in Nordkorea nicht.«
»Liegt da nicht Missbrauch nahe? Ich meine zum Beispiel durch unsere Branche«, fragte Krause.
Sie lächelte schnell. »Natürlich. Und jeder Beteiligte weiß das, aber keiner kümmert sich drum. Alle wissen: Wu kann hier und da mogeln, aber wirklich Unfrieden stiften kann er nicht. So war ja auch mein Trip nach Nordkorea etwas, was die Chinesen erstens nicht wussten, was sie aber auch überhaupt nicht gestört hätte. Wu spioniert immer mal hier und da was aus. Das ist natürlich ein ständiger Ritt auf Messers Schneide, aber wirklich weh tut es keinem.«
»Am zweiten Tag in der amerikanischen Botschaft in Peking wurden Sie instruiert. Von drei Leuten: einer Frau namens Nancy, einem Mann namens Silverman und dem schweigenden Larry. Wie lief das ab?« Krause lockerte seine Krawatte.
»Na ja, das habe ich ja schon oft genug betont«, begann sie ironisch. »Es war unprofessionell. Keine technische Hilfe, keine
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