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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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präzise, liebte die Sekundendarstellungen von Katastrophenverläufen. Er brauchte schon mal sechs Wochen, um die sechs Minuten vor dem Tod eines seiner Agenten genau zu rekonstruieren, und in der Regel waren seine abschließenden Urteile unangreifbar. Wer ihn sich zum Feind machte, hatte allen Grund, sich zu fürchten.
    Er fragte: »Wann ist die OP morgen?«
    »Voraussichtlich ab acht Uhr. Sie können nicht genau sagen, wann sie fertig sind. Sie rechnen aber nicht damit, dass ich vor zwölf Uhr in der Klinik sein muss. Sie rufen mich an.«
    »Hast du zu Hause ein Gästebett?«
    »Ja, natürlich«, nickte Krause verwirrt. »Da ist eins. Aber ich fürchte, es ist nicht bezogen.«
    »Dann beziehen wir es. Und jetzt Abmarsch. Ich bin hundemüde.«
    Sie orderten ein Taxi, und während sie auf den Wagen warteten, informierte Krause noch einige Stellen, wo sie ihn erreichen konnten. Als Moshe und er schließlich Krauses Haus betraten, kam es ihnen kalt und feucht vor.
    »Wie lange warst du denn nicht mehr hier?«, fragte Moshe.
    »Ich weiß es nicht. Das Gästezimmer ist oben. Hast du die Filme von Nordkorea bei dir?«
    »Ja, aber nicht jetzt. Wie lange schlafen wir?«
    »Vier, fünf Stunden?«
    »Also bis zehn. Das ist gut. Und wo finde ich Bettwäsche?«
    »Das weiß ich nicht. Ich nehme an, irgendwo in den Schränken oben.«
    Dann stand Moshe in der Tür zum ehelichen Schlafgemach und fragte: »Hast du eine starke Abneigung gegen mich?«
    »Ist mir nicht bewusst«, erwiderte Krause.
    »Dann schlafe ich neben dir«, entschied der Israeli und begann sich in fliegender Hast auszuziehen.
    Krause war verwirrt, weil er sein Privatleben noch niemals auf eine derartige Art und Weise geteilt hatte. Umständlich schälte er sich aus Hemd und Hose, legte Socken und Unterhemd ab und stand dann, nur noch mit der Unterhose bekleidet, irgendwie unglücklich herum.
    »Wir könnten uns morgens Kirmeswürste braten«, sagte er.
    Aber Moshe antwortete nicht mehr.
    Krause seufzte und öffnete das Fenster einen Spalt. Es regnete sanft.
     
     
     
    Müller zog die Weste aus und legte sie neben sich auf das Deck. Der Nebel hatte sich verzogen, eine gelbe, milchige Sonne stand tief im Westen, der Tag ging zur Neige.
    Die beiden anderen standen im Steuerhäuschen und hatten das Glück einer Flasche Schnaps für sich entdeckt.
    Müller dachte, wenn Sowinski mich so sehen würde, wäre das das Ende meiner Laufbahn. Wie können Sie Ihre Zielperson einfach Schnaps trinken lassen? Das verstößt gegen jede Regel. Ich würde antworten, dass meine Zielperson nicht meine Zielperson ist. Sowinski würde donnern: Woher nehmen Sie denn die Sicherheit, dass es sich tatsächlich so verhält? Ich darauf: Schauen Sie ihn sich an. Ist irgendetwas an diesem traurigen Dackel von Wichtigkeit?
    Nachdem sie verschiedene koreanische Lieder gesungen hatten, waren sie jetzt bei »Waltzing Mathilda« angelangt. Sie sangen nicht mehr, sie grölten, und da sie den Text nicht kannten, sangen sie Lalala, wieder und wieder. Es war zum Fürchten.
    Nach den Angaben seines Skippers dauerte die Reise noch eine gute Stunde, und Müller hoffte insgeheim, dass irgendjemand ihn anrufen würde, um zu entscheiden: »Lassen Sie dem Mann die Freiheit, kommen Sie nach Hause!« Aber er ahnte, ganz gleich was Krause im Hinterkopf hatte, er wollte diesen Unglückswurm sehen.
    Plötzlich kam Bewegung in die Steuerhausbesatzung. Kim verließ fluchtartig seinen Posten, stürzte die zwei Schritte an die Reling und übergab sich. Dabei verlor er die Pferdedecke und stand mager und nackt in der untergehenden Sonne. Er sah traurig und einsam aus. Wie konnte man nur einen keuschen nordkoreanischen Magen derart mit Schnaps überschwemmen?
    Müller wollte gerade zu ihm gehen und ihn anschnauzen, als sich sein Handy meldete.
    »Ja?«, fragte er unwillig.
    »Ich bin es«, sagte Svenja. »Wie geht es dir auf fremden Meeren?«
    Augenblicklich war Müller klar, dass sie von einer ungesicherten Leitung anrief. »Es handelt sich um die wunderbarste Kreuzfahrt, die ich je gemacht habe«, antwortete er ironisch. »Absolut alles im grünen Bereich. Die Verpflegung ist erste Sahne, die tägliche Unterhaltung an Bord spitze. Lauter nette Leute hier.«
    »Ich denke dauernd an dich«, sagte sie sanft. »Und es war falsch, dich allein reisen zu lassen.«
    »Na ja, macht nichts«, entgegnete er knapp. »In etwa einer Stunde legen wir in Bali an.«
    »Und ist Onkel Dagobert auch an Bord?«
    »Ja, ist er. Er ist

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