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Bruderdienst: Roman (German Edition)

Bruderdienst: Roman (German Edition)

Titel: Bruderdienst: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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kommt es vor, dass die Leute den anderen Weg nehmen, von hier in den Norden?«
    »Das kommt vor. Allerdings nur sehr selten.«
    »Erzähl mir von einem seltenen Fall.«
    »Da waren zwei Frauen, das ist jetzt ungefähr sechs Jahre her. Sie wollten nach Nordkorea, weil sie einen Mann treffen wollten, der der jüngeren Frau die Ehe versprochen hatte. Einen Seemann oder so was in der Art. Jedenfalls sind sie nie da angekommen. Makrelenfischer haben mir erzählt, dass man die Leichen der beiden im Meer treiben sah. Kein Mensch hat sie rausgezogen.« Er schnippte mit den Fingern der rechten Hand. »Wie kann man nur so dumm sein?«
    »Aber du hast sie auf der Insel abgesetzt?«
    »Na klar. Sie haben sogar gut bezahlt.« Er grinste. »Nicht so gut wie du, aber auch gut. Ich frage mich seitdem, was sie auf der Insel getan und wie lange sie da wohl gewartet haben. Ob sie einfach rausgeschwommen sind? Oder ob jemand sie tötete und ins Meer warf?« Er sah Müller an und fragte: »Ist das nicht eine spannende Geschichte?«
    »Na ja«, sagte Müller. »Irgendwie unbefriedigend. Hast du auch mal Agenten auf der Insel abgeladen? Solche, die im Norden Spione sein wollten?«
    »Nur einmal, und das war eine ziemlich beschissene Aktion. Ich brachte einen Koreaner dorthin, er schwamm an Land, dann verschwand er in den Büschen. Ich drehte ab, wollte wieder nach Hause. Dann kam ein Schnellboot, fuhr ganz nah ans Ufer heran und legte mit einem Maschinengewehr los. Die haben todsicher dreihundert Schuss Schnellfeuer abgegeben. Sie rauschten wieder an mir vorbei und schrien, ich solle das in Zukunft sein lassen. Ich habe trotzdem nach dem Mann gesehen, er war total zersiebt. Ich habe ihn ins Meer geworfen.«
    »Sie haben auf ihn gewartet«, sagte Müller.
    »Ja, klar«, nickte der Skipper betrübt. »Ich wurde danach noch ein paarmal angefragt, aber ich habe immer gesagt, dass niemand mit mir eine Bootstour macht, um dann auf der Insel als Tartar zu landen.«
    »Das nennt man einen kontrollierten Schiffsverkehr«, bemerkte Müller sarkastisch.
    Ein völlig verwandelter Kim erschien in der Tür des Steuerhauses und sagte aufgeregt: »Das kann ich doch nicht annehmen, das ist doch viel zu viel.«
    Der Skipper lachte schallend, und Müller sagte: »Nimm es einfach, mein Freund.« Dann dachte er ganz unvermittelt an Krause und setzte hinzu: »Wir beide verschwinden jetzt. Wo ist der nächste Taxistand?«
    »Ihr geht einfach die Straße entlang, dann seht ihr es schon. Ich wünsche euch viel Glück!« Er nahm erst Müller in die Arme und dann Kim. »War schön, euch zu bedienen«, sagte er. »Jetzt bin ich reich und gehe erst mal einen trinken.«
    »Du versoffenes Genie«, kommentierte Müller gutmütig.
    Sie kletterten von Bord, Müller mit der schweren Waffe am Rücken, Kim mit einer der grellbunten Plastiktaschen.
    »Da ist noch eine Unterhose drin, und Schuhe und Strümpfe und sogar noch ein Pullover. Und dann noch etwas, das so aussieht wie ein Hemd.«
    »Wahrscheinlich ein T-Shirt«, erklärte Müller. »Du wirst die neue Sprache schon noch lernen. Die Sprache von all den Wundern.«
    »Was hat er für alle die Sachen bezahlt?«, fragte Kim.
    »Vielleicht hundert Dollar oder so.«
    »Das ist zu viel, das zahle ich dir zurück.«
    Müller blieb stehen. »Ich habe dir gesagt, dass ich es dir schenke.«
    Sie trotteten in gemächlichem Tempo die Straße entlang, und Müller fragte sich, wie viel er Kim sagen konnte. Auf keinen Fall etwas von Krauses Befürchtungen, das würde Kim verscheuchen. Aber gewisse Vorkehrungen mussten einfach getroffen werden.
    »Was ist das da vorn? Diese vielen Lichter? Ein Hotel?«
    »Nein. Soweit ich sehe, ist das eine Tankstelle und wahrscheinlich auch ein Kiosk. Hast du Lust auf einen Kaffee?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Kim.
    Ich muss ihn die ganze Nacht durch die Stadt scheuchen, kann ihm keinen Schlafplatz besorgen, darf aber von Gefahr nichts sagen. Die Sache ist doch schwieriger als angenommen, ging es Müller durch den Kopf.
    »Augenblick mal«, sagte er, blieb stehen und fasste Kim sanft an der Schulter. »Ich will dir kurz sagen, auf was du achten solltest. Ich gebe dir dreihundert Dollar, dreihundert Dollar in kleinen Scheinen. Die verteilst du auf die verschiedenen Taschen in deinen Jeans. Zeig das Geld niemandem. Es kann sein, dass wir getrennt werden, durch Zufall, meine ich. Dann steigst du in ein Taxi und sagst, du möchtest ins Hotel Grand Hilton hier in Seoul. Hinter diesem Hotel ist ein großer

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