Bruderdienst: Roman (German Edition)
Vorsichtsmaßnahme. Ich bin ein Spion, ich muss mit allem rechnen. Aber wenn wir Glück haben, gibt es keine Gefahr.«
»Das verstehe ich«, sagte Kim. Dann blieb er vor einem Juweliergeschäft stehen, betrachtete die Auslagen und sagte: »So was Schönes habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Doch, einmal. Da hat ein ausländischer Besucher Zeitschriften mitgebracht. Ich weiß nicht, wie er die mit reinnehmen konnte. Wir haben sie uns angeschaut und haben es nicht für möglich gehalten. Einer meiner Kollegen ist damit erwischt worden. Er ist zu achtzehn Jahren Lager verurteilt worden. Seine Frau und seine Kinder auch. Wir haben ihn nie mehr gesehen.« Kim blieb stehen, wendete sich Müller zu und fragte: »Das haben wir noch gar nicht erwähnt: Kann es sein, dass die US-Amerikaner uns überfallen?«
»Wie kommst du darauf?«
»Man sagt bei uns, dass die Amerikaner es eines Tages tun werden, man sagt, dass nur das Genie unseres Führers sie bisher davon abgehalten hat. Wenn es jetzt heißt, dass wir eine Atombombe verkauft haben, dann wäre es doch logisch, dass die Amerikaner uns überfallen.«
»Das ist alles richtig, mit Ausnahme des Genies eures Führers. Er ist sicher alles Mögliche, aber todsicher kein Genie. Und jetzt nehmen wir das nächste Taxi.«
Sie trafen auf eine lange Taxireihe, und Müller sah sich die Fahrer genau an. Wieder wählte er den Fahrer eines Mercedes.
»Wir möchten, dass Sie uns Seoul zeigen, sagen wir eine Stunde lang.«
»Okay. Wollt ihr Weiber und Sekt, oder wollt ihr lieber Kunsthistorisches?«
»Weiber und Sekt, bitte.«
»Wollt ihr irgendwo rein? In einen Puff, einen bayerischen Bierkeller, Kängurufleisch essen, direkt aus Australien? Peepshow? Frauen an Stangen?«
»Wir wollen nur gefahren werden, nicht aussteigen. Fahren Sie viele Schleifen. Und anschließend bitte ins Grand Hilton.«
»Das macht fünfundsiebzig.«
Müller zählte das Geld ab, reichte es nach vorn und sagte: »Dann los!« Er saß hinten rechts und konnte im Außenspiegel verfolgen, was sich hinter ihnen tat.
»Fünfundsiebzig Dollar!«, hauchte Kim. »Das sind zweihundertfünfundzwanzig Tage leben.«
Der Fahrer fuhr sehr schnell, Müller hatte das Gefühl, er sei ein Aufschneider. Er ratterte die speziellen Lokale herunter, er sprach über Touristen und davon, dass besonders die Europäer in diesen Monaten die Stadt überschwemmten, und er machte zudem den Eindruck, als habe er etwas gegen die reisenden Horden.
Kim saß neben Müller und starrte in die Lichterflut. »Hier ist ja die Nacht heller als der Tag.«
»Und jetzt zum Hilton«, bestimmte Müller energisch. Er hatte keine Verfolger feststellen können. »Und geben Sie Gas!«
»Okay«, antwortete der Fahrer gleichmütig.
Sie stiegen vor dem Hotel aus, und Müller starrte lange durch die großen Glasfenster der Lobby. Es waren deutlich drei Busgruppen zu unterscheiden, wahrscheinlich die beliebte Tour »Seoul bei Nacht«. Eine der Gruppen sah so brav aus wie eine reisende Versammlung deutscher Studienräte. Die Sitzecken waren von kleineren Grüppchen besetzt, jeder Gast hatte einen farbigen Cocktail vor sich stehen.
»Wir gehen durch die Garage.«
Kim verzog keine Miene, nickte nicht einmal, fragte auch nicht nach dem Warum. Sie gingen seitlich vom Hauptgebäude eine Rampe hinunter. Hier war es geradezu gespenstisch still. Sie erreichten einen Lift und fuhren bis in die vierte Etage. Kims Gesichtsausdruck schien plötzlich abweisend, er sprach kein Wort. Es war sechs Minuten vor Mitternacht, und Müller war hundemüde und erschöpft und fühlte sich versucht, sich selbst und Kim zwei, drei Stunden Ruhe zu gönnen.
Als sie vor seinem Zimmer standen, tauchten hinter ihnen drei Japaner auf, die munter plaudernd und lachend den Korridor entlanggingen. Sie wirkten wie Geschäftsleute, die nur mit sich selbst beschäftigt waren. Sie gingen vorbei.
Müller steckte die Plastikkarte in das Schloss, das kleine grüne Licht leuchtete, er drückte die Tür auf. »Okay«, sagte er leise.
Im selben Moment gingen die Lichter im Zimmer an, Müller machte einige Schritte durch den kurzen Gang vorwärts, Kim hielt sich dicht hinter ihm. Erst als sie im Zimmer standen, sahen sie die Männer in der Sitzgruppe zu ihrer Linken. Es waren zwei. Sie trugen schwarze Pullover und dunkelblaue Jacketts und standen gleichzeitig auf. Es waren ein Koreaner und ein westlich anmutender Weißer, beide um die vierzig.
»Herzlich willkommen!«, sagte
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