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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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dann einen riesigen Haufen Pferdeäpfel fallen. Staub brannte in meinen Augen, und ich rieb so lange, bis Tränen die kleinen, vom Wind getriebenen Schmutzteilchen wegspülten. Ich schaute auf zu dem Mann auf dem Pferd.
    Er trug einen dunklen, schokoladenbraunen Cowboyhut, ein erdfarbenes, kariertes Flanellhemd und eine gelbbraune Reithose. Sein Gesicht, verlebt und faltig, strahlte so viel Energie aus, dass er vermutlich jünger war, als er aussah. Jahrelange harte Arbeit und das Reiten in Wind und Hitze hatten es vorzeitig altern lassen.
    Ich dachte, dass er etwas sagen würde, doch er nahm lediglich einen tiefen Zug von einem Joint. Er behielt den Rauch in den Lungen und bot mir die Marihuanazigarette an, doch ich schüttelte den Kopf. Ein kurzer Augenblick verstrich, dann blies er eine süßlich riechende Rauchwolke aus, die der Wind davontrug und in der sengenden Luft verteilte. Seine braunen Augen wurden einen Moment unsichtbar, als er mich anblinzelte.
    »Dachte, du wärst Dave Parker«, sagte er mit breitem Akzent. »Hol mich der Teufel, wenn du ihm nicht verdammt ähnlich siehst.«
    »Sie meinen den Mann, dem die Hütte auf der anderen Seite des Hügels gehört?«
    »Genau den.« Er nahm einen weiteren Zug.
    »Ich bin sein Bruder«, erklärte ich. »Woher kennen Sie ihn?«
    »Woher ich den kenne?«, wiederholte er ungläubig mit krächzender Stimme, wobei er den Rauch immer noch in der Lunge behielt. »Das war mal meine Hütte.« Er ließ den Rauch zeitgleich mit den Worten seinem Mund entweichen. »Hast du das nich gewusst?«
    »Dave hat mir nicht erzählt, von wem er sie gekauft hat, und ich bin erst seit ein paar Tagen hier. Wir haben uns eine Zeit lang nicht gesehen.«
    »Also, zum Teufel, all das hier ist meins, so weit du sehen kannst. Ich hab ‘ne Ranch zehn Meilen von hier entfernt, in dieser Richtung.« Er zeigte in Richtung Norden auf die Berge. »Hab vierhundert Rinder hier auf diesem Land grasen.«
    »In dieser Wüste?«
    »War in letzter Zeit sehr trocken, aber nach ‘nem kräftigen Regen wächst hier Reisgras und alles wird wieder grün. Außerdem bringen wir sie auch weiter hoch in die Winds. Ja, ich hätte die Hütte nie verkauft, aber dein Bruder hat mir ein kleines Vermögen dafür geboten. Sie is mitten auf meinem Land. Aber so habe ich ihm die Hütte und vier Hektar Land verkauft. Hab keinen Schimmer, warum jemand diese Hütte dort draußen besitzen will. Gibt nich viel zu sehen und macht keinen Sinn, im Winter herzukommen. Aber zum Teufel, is schließlich sein Geld.«
    »Wann hat er sie Ihnen abgekauft?«
    »Ach du Scheiße, is doch ein Jahr wie das andere. Schätze, Doktor Parker hat sie damals 91 gekauft.«
    »Doktor Parker?«
    »Is doch ‘n Doktor für irgendwas, oder? Hol mich der Teufel, Geschichte oder so? Is er nich Doktor für Geschichte? Hab den Mann zwei Jahre nich gesprochen, kann also auch falsch liegen…«
    »Er hat sich von Ihnen mit Titel anreden lassen?«, unterbrach ich ihn und zwang mich zu lachen, um den Mann von meinem Schwall von Fragen abzulenken. »Der Kerl hält sich wohl für was Besseres.«
    »Klar«, meinte der Cowboy und lachte ebenfalls. Ich lächelte erleichtert, dass er keinen Verdacht schöpfte.
    »Unterrichtet er immer noch da am College oben im Norden?«, fragte der Mann. »Mein Gedächtnis is keinen Pfifferling mehr wert. Vermont vielleicht? Hat erzählt, er unterrichtet im Herbst und im Frühjahr und möchte die Sommerzeit hier draußen verbringen. Zumindest war das vor zwei Jahren noch so.«
    »Oh, ja, das ist immer noch so.« Ich versuchte mir meine Fassungslosigkeit nicht anmerken zu lassen. Nicht in tausend Jahren hatte ich damit gerechnet, hier in dieser Wüste auf einen anderen Menschen zu treffen. Es war so anregend, und ich betete nur, Orson möge diesen Cowboy nicht so nahe an seiner Hütte vorbeireiten sehen.
    »Nun, muss weiter«, sagte er. »Hab noch ‘ne Menge Land abzureiten, bevor der Tag vorbei ist. Sag Doktor Parker, dass ich vorbeigeschaut habe. Und wie heißt du?«
    »Mike. Mike Parker.«
    »Percy Madding.«
    »War nett, Sie kennen zu lernen, Percy«, sagte ich, trat einen Schritt vor und schüttelte seine behandschuhte Hand.
    »Freut mich auch, Mike. Und vielleicht schaue ich irgendwann bei euch Jungs mal vorbei mit ‘ner Flasche Tequila und ein paar von diesen hier.« Er wedelte mit seinem Joint herum, der ausgegangen war.
    »Es ist nur so, dass wir in ein paar Tagen wieder abreisen. Zurück in den Osten.«
    »Oh, schade.

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