Bruderkampf
die Fregatte erklomm.
Schon da wollte er sich nicht mit Bolithos Verschwinden abfinden. Doch dann hatte er Rennies grimmiges Gesicht gesehen und die nervöse Unsicherheit der zurückkehrenden Matrosen und Seesoldaten gespürt. Nur Okes schien von der Katastrophe unberührt. Herrick runzelte die Stirn, als er sich den Moment zu vergegenwärtigen suchte, als Okes an Bord kletterte: nein, unberührt war nicht der richtige Ausdruck. Er war von einer Art wachsamer Lebhaftigkeit gewesen, die seinem Charakter total widersprach. Herrick wollte ihn sofort ausfragen, aber Vibart befahl Okes auf das Achterdeck, wo er vor sich hingebrütet hatte, seit das Landekommando fortgesegelt war.
Rennie war ungewöhnlich zurückhaltend gewesen. Als Herrick jedoch in ihn drang, sagte der Hauptmann der Seesoldaten kurz: »Es war eine gefährliche Sache, Thomas. Wir müssen immer damit rechnen, daß so etwas passiert.« Er sah Okes mit dem Ersten sprechen und fügte bitter hinzu: »Ich wurde mit meiner Abteilung auf die Phalarope beordert, um die Disziplin zu schützen.« Seine Augen flammten in plötzlichem Zorn auf. »Aber jetzt kommt es mir vor, als müßten die Offiziere der Phalarope voreinander geschützt werden.« Und er schloß: »Ich muß mich um meine Verwundeten kümmern. Sie zumindest brauchen sich nicht zu schämen.«
Herrick nahm sich dann McIntosh vor, der nervös zum Achterdeck blickte, ehe er antwortete: »Was kann ich Ihnen sagen, Sir? Ich habe nur meine Pflicht getan. Mr. Farquhar ist der einzige, der gesehen haben muß, was geschah.« Er deutete nach achtern. »Und er ist dort hinten, tot wie die übrigen.«
»Aber Sie meinen, etwas ging schief?« fragte Herrick scharf.
»Wie kann ich das beantworten, Mr. Herrick?« Seine Augen glitten über die verwundeten und erschöpften Leute des Luggers. »Es hat viel Mühe und Schweiß gekostet, überhaupt hierher zurückzukommen. Sie wissen, was mit mir geschähe, wenn ich Beschuldigungen aussprechen würde.«
Herrick hatte ihn mit Verachtung in den Augen entlassen und doch im tiefsten Innern gewußt, daß McIntosh die Wahrheit sprach. Er riß sich zusammen, als er Vibarts schweren Schritt hörte.
»Pfeifen Sie alle Mann nach achtern, Mr. Herrick. Ich will ihnen sagen, wie es weitergeht.« Vibart wirkte gemessen und ruhig. Nur ein gewisses Glitzern seiner Augen verriet Erregung oder Triumph.
»Sind Sie sicher, daß wir nichts mehr tun können?« fragte Herrick.
Vibart blickte an Herrick vorbei auf das gekräuselte Wasser.
»Meine Ansicht habe ich Ihnen heute morgen mitgeteilt, Mr.
Herrick, ebenso wie ich meine Besorgnis dem Kapitän dargelegt habe. Es war ein gefährliches und draufgängerisches Wagestück.
Daß es erfolgreich ausging, ist ein Glück für uns alle.
Aber Bolitho kannte das Risiko, das er auf sich nahm. Mehr ist da nicht zu sagen.«
»Aber ist sich Leutnant Okes ganz sicher, Sir?« beharrte Herrick.
»Mich hat seine Meldung zufriedengestellt.« In Vibarts Ton lag eine neue Schärfe. »Also genug davon.« Er ging gewichtig zur Luvreling und schnüffelte heftig. »Zumindest sind wir wieder in dem uns zugewiesenen Bereich. Jetzt können wir mit dem Flaggschiff Kontakt aufnehmen.«
Herrick sagte schnell etwas zu Fähnrich Neale und beobachtete, wie er nach vorn eilte. Dann hörte er die Bootsmannsmaaten rufen: »Alle Mann an Deck! Alle Mann nach achtern!«
Während die Männer aus dem Zwischendeck strömten, ging er zu Vibart hinüber und sagte langsam: »Er war ein guter Offizier. Ich bin immer noch der Ansicht, er hätte entkommen können.«
»Dann möchte ich Sie doch bitten, Ihre Meinung für sich zu behalten, Mr. Herrick.« In den tiefliegenden Augen funkelte Wut. »Sie haben sich vielleicht für einen seiner Günstlinge gehalten, aber bei mir gibt es so etwas nicht.« Er wandte sich von Herrick ab, als der Bootsmann Quintal salutierte und polternd meldete: »Alle angetreten, Sir.«
Vibart schritt zur Querreling und starrte in die ihm zugewandten Gesichter. Herrick blieb bei den Rudergängern und beobachtete Vibart genau.
»Wir befinden uns wieder in unserem Patrouillengebiet«, sagte Vibart. »In Kürze werden wir mit dem Admiral Verbindung aufnehmen, und zu gegebener Zeit berichte ich ihm von unserem großen Erfolg.«
Herrick merkte, daß er vor Zorn zitterte. Aha, jetzt war es also ein großer Erfolg. Wenn Bolitho noch am Leben wäre, wäre es tollkühn und gefährlich gewesen. Doch nun, da Vibart die Früchte einheimsen konnte, sah es ganz
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