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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Teerjacke: »Paß gut auf, Jorgens. Der geringste Widerstand, und du nimmst dich seiner an, klar?«
    Die Tür schloß sich, und der Matrose sagte: »Der Käpt'n will Sie sprechen, wenn Sie fertig sind.« Er leckte sich die Lippen.
    »Er hält Frühstück für Sie bereit.« Die Behandlung schien ihn zu erstaunen.
    Während Bolitho sich rasierte, rasten ihm hundert Gedanken durch den Kopf. Vielleicht sollte er tun, was der Offizier angedeutet hatte. Ein Schnitt in die Halsschlagader, und sie gingen leer aus, hatten weder ein bereitwilliges Opfer noch eine Quelle möglicher Information. Er erinnerte sich an Herricks Gesicht, als er zu ihm gesagt hatte: >Hier draußen kann man durch mangelnde Information den ganzen Krieg verlieren.< Jetzt kehrten sich seine eigenen Worte gegen ihn. Er dachte an Farquhar und die anderen und sah wieder Stockdales zerschlagenes Gesicht vor sich, als die Leute des Kaperschiffs sie trennten. Es hatte einen Ausdruck des Vertrauens und der Zuversicht getragen. In jenem schrecklichen Augenblick hatte Bolitho das mehr geholfen als Worte oder irgendwelche Taten.
    Er wischte das Rasiermesser ab und legte es auf die Seekiste.
    Nein, das Leben war mehr als die persönlichen Hoffnungen eines Einzelnen. Er zog die Uniform zurecht und schob das dunkle Haar aus der Stirn. »Ich bin bereit«, sagte er kühl.
    »Vielleicht zeigen Sie mir den Weg.«
    Er folgte dem Matrosen durch den Gang. Das Tageslicht zeigte ihm noch mehr Zeugen des kurzen Gefechts: geknickte Hölzer, durch Behelfsbalken gestützt, und vielsagende rote Flecken, die selbst wochenlangem Schrubben getrotzt hatten.
    Ein bewaffneter Matrose trat beiseite und öffnete die Tür zur Kapitänskajüte. Bolitho betrat den einst vertrauten Raum. Die Morgensonne flutete durch die Heckfenster, und die tanzenden Reflexe blendeten ihn. Der Kapitän der Andiron stand über die Heckbank gebeugt und schaute hinaus. Seine Gestalt hob sich dunkel vor dem glitzernden Wasser ab. Doch Bolithos Blick galt nicht ihm, sondern dem Degen, der mitten auf dem polierten Tisch lag.
    Er wartete. Seine Beine paßten sich automatisch dem leichten Stampfen und Rollen des Schiffes an. Die Kugeln der Phalarope hatten selbst hier eingeschlagen, wie Bolitho sah.
    Lange kann die Andiron nicht im Hafen gelegen haben, überlegte er.
    Der Offizier am Fenster drehte sich langsam um. Das Licht huschte über sein Gesicht, ehe es sich wieder in eine dunkle Silhouette verwandelte. Zum zweiten Male innerhalb von vierundzwanzig Stunden hätte Bolitho beinahe die Haltung verloren. Er mußte alle Kraft zusammennehmen, um nicht ungläubig aufzuschreien. Aber als der andere sprach, wußte er, daß ihn auch diesmal keine Einbildung narrte.
    »Willkommen an Bord der Andiron, Richard. Als mir mein Zweiter den Säbel brachte, wußte ich, daß du es sein mußtest.«
    Bolitho starrte seinen Bruder an, und die Jahre sackten weg, während ihm tausend Erinnerungen durch den Kopf wirbelten: Das war Hugh Bolitho, der Sohn, über den sein Vater so verbittert und doch so besorgt gesprochen hatte. Nun Kommandant eines feindlichen Kaperschiffes. Schlimmer konnte es nicht kommen.
    »Es war unvermeidlich«, sagte sein Bruder langsam. »Aber ich hoffte, daß es auf andere Art geschehen würde. Und vielleicht an einem anderen Ort.«
    »Weißt du, was du getan hast?« hörte Bolitho sich fragen.
    »Was das für Vater bedeutet?« Er stockte, war unfähig, die Tatsache hinzunehmen, daß sie Kinder desselben Vaters waren.
    »Dann hast du also bei dem Gefecht im vorigen Monat die Andiron befehligt?«
    Hugh Bolitho schien sich etwas zu entspannen, offenbar meinte er, das Ärgste sei nun vorüber. »Ja. Es war wirklich eine Überraschung.
    Wir wollten gerade zum Endstoß ansetzen, da sah ich dich durch mein Glas.« Er verzog das Gesicht, als er sich den Augenblick zurückrief. »So drehte ich ab. Du hast an diesem Tag Glück gehabt, mein Junge.«
    Bolitho versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, und sagte kurz: »Willst du andeuten, daß meine Anwesenheit deinen Entschluß bestimmte?«
    »Dachtest du, du hättest gesiegt, Richard?« Hugh Bolitho betrachtete seinen Bruder irgendwie belustigt. »Trotz des Kettenbeschusses hätte ich die Phalarope nehmen können, das kannst du mir glauben.« Er zog die Schultern hoch, ging zum Tisch und blickte auf den Degen. »Es brachte mich aus der Fassung. Ich wußte nicht, daß du nach Westindien zurückgekehrt warst.«
    Bolitho sah die grauen Strähnen im Haar seines Bruders und

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