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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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genau wie er. Nur daß er, wenn es soweit war, unter Deck eingesperrt und hilflos und elend Zeuge des Untergangs seines eigenen Schiffes sein würde. Oder, schlimmer noch, der Eroberung.
    Der Gedanke peinigte ihn zum hundertsten Male. Und es gab ihm einen neuen Stich, als er einen Kutter der Andiron längsseits kommen und Früchte entladen sah. Nein, er irrte sich nicht, es war Stockdale, der breitbeinig auf dem Schanzkleid stand und die Netze mit den Früchten hinaufreichte, als wären sie leicht wie eine Feder. Sonderbar, aber das war fast am schwersten zu ertragen. Gerade Stockdale! Ob er bereitwillig oder widerstrebend gehandelt hatte, war Bolitho nicht bekannt, aber er hatte sich der Mannschaft des Kaperschiffes angeschlossen, und die anderen Leute der Landungsabteilung waren ihm wie Schafe gefolgt. Er machte ihnen innerlich keine Vorwürfe. Wenn Stockdale, der Bootsführer des Kapitäns, die Front wechselte, warum dann nicht auch sie?
    Stockdale schaute, in der Sonne blinzelnd, hoch. Dann grüßte er spöttisch, und einige der Leute lachten. Der wachhabende amerikanische Offizier sagte trocken: »Manchmal glaube ich, daß es so etwas wie Treue überhaupt nicht gibt, Kapitän. Alles bloß eine Frage des Preises.«
    Bolitho zuckte mit den Schultern. »Vielleicht.«
    Der Offizier ergriff die Chance, Bolithos brütendes Schweigen zu brechen. »Ich komme nicht darüber hinweg, daß Sie mit unserem Kapitän verwandt sind. Der Gedanke macht einem zu schaffen. Ihnen vermutlich auch.«
    Bolitho sah den gebräunten Offizier flüchtig an. Ein freundliches Gesicht. Das eines einsamen Mannes, der den Krieg satt hatte. »Fahren Sie schon lange unter ihm?« fragte er.
    »Ein Jahr ungefähr.« Der Mann runzelte die Stirn. »Aber es kommt mir viel länger vor. Er kam als Erster Leutnant an Bord, erhielt aber das Kommando, nachdem der Kapitän bei einem Gefecht mit einem Ihrer Schiffe vor Cape Cod fiel.« Er grinste.
    »Hoffentlich kann ich bald nach Hause. Meine Frau und meine zwei Jungen warten auf mich. Ich sollte mich um meine Farm kümmern, nicht gegen König Georg kämpfen.«
    Bolitho erinnerte sich der Bemerkung seines Bruders, daß er nach Cornwall kommen würde, um das ihm rechtmäßig zustehende Erbe zu fordern, und verspürte wieder die gleiche heftige Bitterkeit. Er unterdrückte die aufsteigende Regung und fragte ruhig: »Halten Sie das wirklich für so einfach?«
    Der Offizier starrte ihn an. »Was kann denn noch passieren?
    Ich möchte Sie nicht beleidigen, Kapitän, aber meiner Meinung nach haben die Briten kaum noch eine Chance, Amerika zurückzugewinnen.«
    Bolitho lächelte. »Ich dachte mehr an die Franzosen. Wenn, wie Sie sagen, die amerikanische Unabhängigkeit von allen Beteiligten bestätigt wird, bilden Sie sich dann wirklich ein, daß die Franzosen einfach absegeln? Immerhin haben sie die Hauptlast der Kämpfe getragen, vergessen Sie das nicht.
    Meinen Sie, daß Sie ohne ihre Flotte und ihre Lieferungen so weit gekommen wären?«
    Der Amerikaner kratzte sich den Kopf. »Krieg bringt einem sonderbare Verbündete, Kapitän.«
    »Ich weiß. Ich habe einige kennengelernt.« Bolitho blickte beiseite. »Meines Erachtens möchten sich die Franzosen hier draußen ebenso festsetzen wie in Kanada.« Er schüttelte den Kopf. »Sie können leicht vom Regen in die Traufe kommen.«
    Der Offizier gähnte und sagte müde: »Nun, ich habe das nicht zu entscheiden, Gott sei Dank.« Er hob die Hand an die Augen und spähte in den dunklen Schatten unter Saddle Hill. Ein weißblauer Punkt eilte den unebenen Pfad in einer Staubwolke hinunter.
    Der Offizier sah Bolitho bedeutungsvoll an und sagte knapp: »Ein Reiter! Das bedeutet, der Köder hat gewirkt, Kapitän.
    Heute nacht also – oder nie.«
    Auf der Back ertönte ein Ruf, als am öden Ufer ein greller Lichtpfeil aufblendete. Jemand benutzte einen Heliographen, und Bolitho hörte tiefer landeinwärts lebhaften Trommelschlag.
    »Woher weiß man es?« fragte er.
    Der Offizier kniff die Lippen zusammen, sagte dann jedoch nicht unfreundlich: »Draußen liegt eine Flotte von Fischerbooten, Kapitän. Sie geben die Sichtmeldung von Boot zu Boot weiter. Eins liegt dicht unter dem Ausguck auf dem Berg.« Er wirkte verlegen. »Warum beschäftigen Sie sich noch damit? Sie können doch nichts mehr dagegen tun. Genausowenig wie ich etwas tun könnte, wäre die Situation umgekehrt.«
    Bolitho sah ihn nachdenklich an. »Danke, ich will versuchen, mich daran zu erinnern.« Damit nahm

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