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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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er seinen Gang über das Deck wieder auf. Der Offizier zuckte mit den Schultern und kehrte auf die andere Seite des Hecks zurück.
    Die kurze Waffenruhe war vorüber. Das Signal des Heliographen hatte sie aus plaudernden Seeleuten wieder zu Feinden gemacht.
    »Sonnenuntergang in einer Stunde.« Daniel Proby, Steuermann der Phalarope, kritzelte langsam auf seiner Schiefertafel und ging dann gemächlich zu Herrick hinüber, der an der Luvreling stand. »So habe ich die Sonne mein ganzes Leben lang noch nicht gesehen.«
    Herrick riß sich in die Gegenwart zurück und folgte Probys bekümmertem Blick über die glitzernde Weite der offenen See.
    Fast den ganzen Nachmittag und den frühen Abend über war die Fregatte stetig nach Nordost gelaufen, und während sie jetzt hart am Wind über Backbordbug segelte, leuchteten Masten, Spieren und jeder Zoll der steifen Leinwand wie poliertes Kupfer. Der Himmel, seit Tagen hellblau und leer, war jetzt von langen, sich kreuzenden Wolkenstreifen durchzogen, die wie glühende Rauchfahnen auf den fernen Horizont zutrieben. Es war ein zorniger Himmel, und die See reagierte auf den Wechsel auf ihre Weise. Die Oberfläche zeigte nicht mehr die kurzen, abgehackten weißen Kämme, sondern herandrängende Linien hochtreibender Wogen, eine hinter der anderen in säuberlich abgezirkelten Reihen. Das Schiff hob sich und ächzte, als die Galionsfigur sich dem Himmel zukehrte und dann in langem Bogen in das Wellental tauchte.
    »Vielleicht nähert sich ein Sturm vom Atlantik?« fragte Herrick.
    Der Steuermann schüttelte den Kopf. »Zu dieser Jahreszeit gibt es kaum Stürme.« Er blickte nach oben, als die Segel, wie um seine Worte zu verhöhnen, donnerten. »Wie dem auch sei, wir werden ein Reff einbinden müssen, wenn es sich nicht bessert.«
    Trotz seiner düsteren Gedanken mußte Herrick lächeln.
    Vibart würde nicht gerade glücklich darüber sein. Seit er vor zwei Tagen seine neuen Befehle erhalten hatte, trieb er die Besatzung wie ein Verrückter an. Herrick dachte an den Augenblick, als ein Ausguck das ferne Segel gesichtet hatte.
    Einen Moment dachten sie, es sei eine patrouillierende Fregatte oder die Cassius selbst. Aber es war eine schnell segelnde Brigg. Über ihren niedrigen Rumpf sprühte Schaum, als sie über Stag ging und auf die Phalarope zulief.
    Herrick nahm ihr Erscheinen als unerwartete, aber willkommene Abwechslung, denn die Stimmung an Bord der Fregatte hatte sich spürbar verschlechtert. Innerhalb weniger Tage hatte es sieben Auspeitschungen gegeben. Sie hatten die Mannschaft jedoch nicht in stumpfe Gefügigkeit versetzt, sondern dazu beigetragen, die Kluft zwischen Back und Achterdeck noch zu vertiefen. Im Zwischendeck wurde kaum noch geplaudert oder gelacht. Kam ein Offizier an einer Gruppe Matrosen vorüber, schwiegen die Männer verdrossen und wandten sich ab.
    Fähnrich Maynard hatte gemeldet: »Die Brigg ist die Witch of Looe, Sir. Mit Order für uns.«
    Vibart baute sich gewichtig auf dem Achterdeck auf, einsam und erhaben, schweigsam, aber alles beobachtend.
    Ein Boot pullte herüber, und bald kletterte ein Leutnant mit dem unvermeidlichen Leinwandumschlag an Bord. Herrick, der in der Nähe stand, spitzte die Ohren, um mitzubekommen, was vorging. Er hörte Vibart nach dem Flaggschiff fragen und den Leutnant kurz antworten.
    »Diese Befehle kommen vom Admiral, Sir. Ich habe nichts hinzuzufügen. «
    Die Antwort war zu knapp, beinahe schon beleidigend, und Herrick nahm an, daß der junge Leutnant auf der Liste der Admiralsgünstlinge hoch genug stand, um sich solchen Ton erlauben zu können.
    Vibart hatte dem Offizier der Brigg vom Angriff auf die Insel Mola erzählen wollen, doch dann den Mund fest zusammengepreßt, sich umgedreht und befohlen: »Lassen Sie das Schiff wieder Fahrt aufnehmen, Mr. Herrick. Ich habe zu tun.«
    So war es bis heute geblieben, überlegte Herrick. Ein Schwanken zwischen hochtrabender Selbstgefälligkeit und Anfällen blinder Wut. Vibarts Reaktionen ließen sich nie vorhersagen, ein doppeltes Übel, da er beinahe allgegenwärtig war. In einem fort beobachtete er, kritisierte alles und bellte Befehle, die die der anderen Offiziere rückgängig machten.
    Herrick hatte den Leutnant am Fallreep angehalten, um noch mehr zu erfahren. Der Offizier sah ihn nachdenklich an.
    »St. Kitts ist gefallen. Die Flotte hat sich zurückgezogen, um sich neu zu formieren. Ich segle jetzt nach Antigua.« Er blickte zu seinem Schiff hinüber. »Aber dem

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