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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Weile reglos in ihrem Stuhl und hing ihren eigenen Gedanken nach. Irgendwann gab sie sich einen Ruck und nahm ein weiteres Bild aus der Schachtel auf ihrem Schoß. »Das ist Pablo.« Sie reichte das Foto Clara, die es neugierig betrachtete. Es zeigte Ruth mit einem jungen Mann mit rötlichem Vollbart. Beide lachten in die Kamera. Im Hintergrund war ein gelbes Haus zu sehen, blauer Himmel, in der Ferne ein Kirchturm.
    Clara erkannte ihn sofort wieder, es war der Kirchturm, den Ruth gezeichnet hatte, unzählige Male. »Wo ist das?«, fragte sie heiser. Frau Winter beugte sich über den Tisch, nahm Clara das Foto aus der Hand und drehte es um. Es war auf eine Postkarte geklebt. » Liebe Lio! «, las sie vor. » Grüße aus dem hohen Norden. Wenn wir könnten, kämen wir nie mehr zurück.«
    Sie gab das Bild Clara zurück. »Das ist irgendwo an der Nordsee. Sie haben dort ein Stipendium an einer Sommerakademie bekommen. Beide zur gleichen Zeit. Das war ein paar Monate bevor … das alles passiert ist. Damit hat alles angefangen. Udo durfte nichts davon wissen, er … war schrecklich anhänglich, besitzergreifend. Heute würde man ihn wohl einen Stalker nennen. Als sie zurückkamen, hat Ruth mit ihm geredet, versucht, es ihm zu erklären. Doch er wollte es einfach nicht verstehen. Ständig hat er ihr nachgestellt, sie ausspioniert, immer wieder stand er mit Rosen vor der Tür. Es war …« Sie rieb sich wieder die Stirn und seufzte. »Es war einfach nervtötend. Ruth kam sich wie gefangen vor, sie ist mehrmals ausgerastet, hat ihn angebrüllt, rausgeworfen, aber es hat alles nichts geholfen. Bei der Fete zu Pablos Abschied stand er trotzdem wieder da.«
    »Ausgerastet«, wiederholte Clara nachdenklich. »Und Pablo? Hat ihn das nicht auch gestört?«
    Frau Winter widmete sich ihrer Pfeife. Eine der Katzen strich um den Rollstuhl, und als sie die Schachtel wegnahm, sprang sie auf ihren Schoß. Lieselotte Winter streichelte sie gedankenverloren und zog an der Pfeife. »Ach, Pablo. Natürlich hat ihm das nicht gepasst. Aber er war … na ja, er war Ruth nicht gewachsen, er wollte sie nicht verlieren, und sie wollte nicht, dass er sich einmischt. Also hat er es gelassen. Und dann war ja noch seine Karriere. Er war der Beste von uns allen, ohne Zweifel. Einer, der wirklich etwas vor sich hatte, der drauf und dran war, mit seiner Arbeit tatsächlich Geld zu verdienen. Deshalb ging er ja auch weg. Diese Einladung nach Rom war eine Riesenchance für ihn.«
    »Und er hat nie erfahren, was in dieser Nacht passiert ist?« Clara schüttelte ungläubig den Kopf. »Das kann ich nicht glauben.«
    Lieselotte Winter schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Er hat es schon erfahren. Aber erst nach seiner Rückkehr aus Italien. Johannes Imhofen hat ihn in dieser Zeit massiv unterstützt.«
    »Johannes Imhofen hat Pablo gefördert?«, fragte Clara nach, unsicher, ob sie richtig verstanden hatte. »Warum sollte er so etwas tun? Ich dachte, Ruths Lebensstil und ihre Freunde wären ihm immer ein Dorn im Auge gewesen?«
    Lios Blick wurde nachdenklich. »Ja, darüber habe ich mich auch gewundert, um ehrlich zu sein. Vor dieser Geschichte wollte er mit uns allen partout nichts zu tun haben. Er dachte, wir würden seiner Karriere, seinem seriösen Ansehen schaden.« Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wollte er etwas gutmachen, nachdem das mit seiner Schwester passiert ist. Wer weiß, vielleicht hat er erkannt, dass er einen Fehler gemacht hat? Aber dazu weiß ich nichts Genaueres. Wissen Sie, ich habe die ganze Clique danach relativ bald aus den Augen verloren. Ich glaube, das ging allen so. Nach diesem Abend war nichts mehr so wie vorher.«
    »Haben Sie denn Pablo danach nie wieder gesehen?«, wollte Clara wissen.
    Die Frau zögerte. »Doch«, sagte sie schließlich. »Ungefähr ein Jahr später. Ich war noch nicht lange aus dem Krankenhaus entlassen. Er hat mich besucht. Hier, in meiner Wohnung.«
    Sie senkte den Kopf und betrachtete die Katze auf ihrem Schoß. »Es ging ihm nicht so gut. Ich glaube, er wollte mit mir über das reden, was passiert ist. Über Ruth. Aber ich habe es nicht gekonnt. Bereits sein Anblick war mir unerträglich. Ich konnte nicht über diese Zeit sprechen. Gerade hatte ich erfahren, dass ich nie mehr würde laufen können. Und mein Freund …« Sie schluckte schwer und rieb sich verstohlen die Augen, bevor sie leise weitersprach. »Er ist damals umgekommen bei dem Motorradunfall.«
    Sie hob den Kopf und sah Clara ins

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