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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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ihrem Schoß lag zusammengerollt eine dünne, fahlbraune Katze und schlief. Auch die Katze, die hinter der Tür gemaunzt hatte, war beige-braun, mit spitzen Ohren, einem spitzen Gesicht und tückischen Augen. Clara atmete tief ein und in Gedanken an Elise mit einem Seufzer der Erleichterung wieder aus. Siamkatzen! Im Gegensatz zu ihrem Hund hatte sie grundsätzlich nichts gegen Katzen. Weiche, anschmiegsame Hauskatzen, getigert, gefleckt, schnurrend um die Beine streichend, mochte sie sogar. Aber keine Siamkatzen. Bei dieser Gattung waren sie und ihr Hund sich vollkommen einig: Einer Siamkatze war nicht zu trauen.
    Clara reichte Frau Winter vorsichtig die Hand, in der Erwartung, dass sich jeden Moment spitze Krallen in ihren Unterarm versenken würden. Doch die Katze auf Lieselotte Winters Schoß rührte sich nicht. Geschickt wendete die Frau ihren Rollstuhl und fuhr den kleinen Flur entlang.
    Clara folgte ihr neugierig. Nach dem ersten Eindruck des Hauses hatte sie eine muffige, schäbige Wohnung voller verwahrloster Katzen erwartet, doch sie hatte sich getäuscht. Mit Ausnahme mehrerer Katzentoiletten im Flur, die für den Geruch verantwortlich waren, machte die kleine Wohnung einen gepflegten Eindruck. Eine winzige Küche zur Linken, auf dem Fußboden mindestens fünf pieksaubere Futterschüsseln, auf dem Fensterbrett eine weitere dünne, schlitzäugige Katze, die Clara im Vorbeigehen nur aus dem Augenwinkel wahrnahm. Liselotte Winter führte sie in ihr Wohnzimmer, und Clara blieb überrascht stehen. Der Raum war größer als erwartet, mit einer Dachschräge und an der linken Front ein riesiges, rundes Fenster mit spiralförmigen Sprossen. Clara machte einen Schritt darauf zu und warf einen Blick hinunter. Man sah die Straße, von der sie gekommen war, die Dächer des Viertels und in der Ferne den Nymphenburger Schlosspark mit seinen Kanälen.
    »Wie schön«, meinte Clara beeindruckt. Manchmal sah man solche Fenster von der Straße und fragte sich, wer in solchen Wohnungen wohl wohnte.
    Frau Winter stellte sich neben sie. »Ja, das kann man wohl sagen.« Ihre Stimme war ein wenig heiser.
    Clara warf einen Blick auf Frau Winters regungslose Beine und fragte sich, wie es ihr bei diesem Treppenhaus und ohne Aufzug wohl gelang, die Wohnung je zu verlassen.
    Die Frau war Claras Blick gefolgt, und als hätte sie ihre Gedanken gelesen, meinte sie gleichmütig: »Als ich hier eingezogen bin, sagte ich mir, aus dieser wunderbaren Wohnung müssen sie mich schon raustragen. Nun, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen.«
    Betroffen wandte Clara den Blick vom Fenster ab. Der grandiose Ausblick kam ihr plötzlich gemein vor, voller Spott und Ironie: Für Frau Winter war dieser Ort ein Gefängnis. Mit schöner Aussicht, aber trotzdem ein Gefängnis. Clara sah sich im Raum um. Er war fast leer, rollstuhltauglich ohne Schwellen und Teppiche, aber trotzdem wohnlich mit einem tiefen Sofa, einem Esstisch und vier Stühlen und einer Menge Bilder an den Wänden.
    Während Clara auf die Bilder zuging, bemerkte sie mindestens noch zwei Katzen, die sie mit schmalen Augen betrachteten. Eine saß auf einem kleinen Sekretär in der Ecke, die andere auf der Rückenlehne des Sofas.
    »Gefallen Ihnen meine Bilder?«, fragte Frau Winter in die Stille hinein, und Clara wandte sich zu ihr um.
    »Die haben Sie gemalt?«, fragte sie erstaunt und ein wenig verlegen. Erst jetzt bemerkte sie die Staffelei neben dem Panoramafenster. Plötzlich erschien es ihr so logisch: Ruths Freundin, von damals. Eine Malerin wie sie selbst.
    Sie setzten sich an den Tisch. Eine Glaskanne mit Tee stand auf einem Stövchen, dazu zwei Tassen, Kekse, Zucker, Milch. Frau Winter goss den Tee ein und sah Clara dann abwartend an. »Sie wollten etwas über Ruth Imhofen wissen?«
    Clara nippte von dem heißen Getränk und nickte. »Wie ich schon am Telefon sagte, sie ist meine Mandantin.« Nach einigem Zögern fügte sie hinzu: »Und außerdem ist sie verschwunden.«
    Lieselotte Winter zuckte mit keiner Wimper. »Ich weiß«, sagte sie ruhig. Als sie Claras erstaunten Blick sah, überzog ein Lächeln ihr Gesicht. »Das stand heute Morgen in der Zeitung.«
    Clara spürte, wie sie rot wurde. Sie hatte die Zeitungen von heute noch gar nicht gelesen. »Nicht sehr schmeichelhaft, was da drin steht, vermute ich.«
    Lieselotte Winter schüttelte den Kopf, noch immer lächelnd. »Nein, kann man nicht sagen.«
    Clara räusperte sich und versuchte, eine Überleitung in die Vergangenheit

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