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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Stirn. »Sagten Sie nicht, Ihr Name sei … äh …, wie war Ihr Name noch mal?« Er verstummte ratlos.
    Clara klappte den Prospekt auf und deutete auf die nackte Frauengestalt. »Das bin ich. Ich bin Ruth.« Ihre Röte verstärkte sich, als der Blick des Mannes zwischen ihr und dem Bild hin und her flog.
    »Ich … ich war das Modell damals, ich war lang im Ausland und habe das fertige Werk nie gesehen … ich möchte …« Sie verstummte, und ihr wurde heiß. Was redete sie da nur für einen Blödsinn?
    Der junge Mann studierte jetzt eingehend das Foto. »Eine sehr schöne Arbeit«, sagte er dann und sah ihr forschend ins Gesicht. »Ich wäre nicht darauf gekommen, aber jetzt, wo Sie es sagen …Sie sind wahrhaftig gut getroffen!«
    »Äh, ja danke.« Clara räusperte sich erneut und senkte den Blick.
    Passenderweise entschloss sich Elise in diesem Moment, dass sie genug Zeit auf dem Fußabstreifer zugebracht hatte. Sie erhob sich und streckte sich gähnend.
    Der Mann zuckte zurück. »Ja, also unter diesen Umständen denke ich, kann ich sicher eine Ausnahme machen und Ihnen die Adresse des Künstlers …«
    Elise drehte sich einmal um ihre Achse und streifte dabei das Hosenbein des Galeristen mit dem Schwanz.
    Stumm reichte er Clara den Zettel, auf dem die Adresse Jakob Schellings notiert war, und machte einen schnellen Schritt auf die Tür zu. »Freut mich, wenn ich Ihnen weiterhelfen konnte.« Er riss die Glastür mit einem eleganten Schwung auf.
    Clara schüttelte ihm die Hand. Ihre Gesichtsfarbe hatte sich inzwischen wieder normalisiert. »Sie ahnen gar nicht, wie sehr.«
    Dann verließ sie zusammen mit Elise die Galerie, und der sichtlich erleichterte junge Mann schloss hastig die Tür hinter ihr.
     
    Sie überflog die Zeilen und schob den Zettel dann in die Hosentasche. Nachdenklich machte sie sich auf den Weg zu ihrem Treffen mit Gruber. Sollte sie dem Kommissar von Pablo und dieser Adresse erzählen? Sie hatte versprochen, es ihm zu sagen, wenn sie Ruth gefunden hatte. Aber das hatte sie ja noch gar nicht. Es war ja nur eine Vermutung, nichts weiter. Vielleicht täuschte sie sich, und dieser Herr Schelling hatte keine Ahnung, hatte Ruth seit damals nicht gesehen, sie längst vergessen. Sie wusste, dass es nicht so war. Im Gegenteil, sie war sich sicher, hundertprozentig sicher, auf der richtigen Spur zu sein. Aber sie wollte Gruber nichts davon erzählen. Noch nicht. Zuerst wollte sie selbst mit Ruth sprechen.
     
    Gruber erwartete sie bereits. Er warf einen seiner kleinen scharfen Blicke auf Elise und schüttelte dann den Kopf, als sei der Anblick des Hundes zu viel für ihn. Doch er sparte sich jeden Kommentar und nickte stattdessen Clara mit leichtem Spott zu. »Frau Anwältin.«
    Clara grinste: »Guten Tag, Herr Kommissar.«
    Bei einem Becher Kaffee begann Gruber zu berichten. Schon gestern Morgen hatte er den Durchsuchungsbefehl beantragt und mittags bereits auf dem Tisch liegen gehabt. Mit dem zutiefst empörten Selmany im Gefolge hatten sie dann am Nachmittag das Gebäude durchstöbert, jeden Winkel vom Keller bis zum Dachgeschoss, und sämtliche Krankenunterlagen beschlagnahmt. Selmany hatte seinen Anwalt angerufen, so einen Schnösel aus der Brienner Straße, konkretisierte Gruber mit einem hastigen Seitenblick auf Clara, die er offenbar nicht mehr zu dieser Kategorie zählte, doch gegen die Durchsuchung war natürlich nichts zu machen gewesen. Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee, verzog den Mund und schwieg.
    Clara sah ihn erwartungsvoll an. »Und?«, drängte sie schließlich. »Haben Sie etwas gefunden? Konnten Sie feststellen, wer Maja war? Was mit ihr passiert ist?«
    Gruber starrte in seinen Kaffeebecher. »Wir haben etwas gefunden«, begann er schließlich zögernd. »Einen Namen.« Er hob den Kopf und sah Clara an: »Marianne Wilhelm, zweiundzwanzig Jahre. Diagnose Schizophrenie. Sie war seit zwei Jahren in der Klinik und hat am 28.11.1984 Selbstmord begangen. Am selben Tag, an dem in Ruths Akte der Abbruch der ›Behandlung‹ vermerkt wurde.« Er räusperte sich, dann fügte er hinzu: »Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung.«
    »Gab es eine Untersuchung?«, fragte Clara tonlos.
    Gruber schüttelte den Kopf. »Nichts. Es war offenbar bereits ihr dritter Versuch. Ich habe schon ein bisschen nachgeforscht, wie es aussieht, gibt es keine Angehörigen mehr, die Eltern sind ebenfalls tot. Es gibt ein Familiengrab im Nordfriedhof.«
    »Marianne. Maja.« Clara fröstelte. Es war unheimlich,

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