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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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da, um es richtigzustellen.«
    Er wandte sich Clara direkt zu. »Ich habe ihn also angerufen und bin dann hinunter auf die Straße gelaufen. Ich wollte nach Hause. Sollte sie mir doch den Buckel runterrutschen. Morgen würde ich weg sein, und der Rest war egal. Dachte ich mir.«
    Er schüttelte den Kopf. »Natürlich hat es nicht geklappt. Ich wäre immer gerne cooler gewesen, als ich war. Nach ungefähr einer halben Stunde bin ich wieder umgekehrt. Johannes Imhofens Auto stand schon vor der Tür. Ich bin die Treppe hochgelaufen und habe aufgeschlossen. Ich hatte einen Schlüssel zu Ruths Wohnung. Und da habe ich es gesehen.«
    Er schluckte, seine Hände schlossen sich um die Tasse, dann wanderte sein Blick zu Miguel hinter der Bar, er schien zu überlegen, ob er nicht doch Wein benötigte oder einen Schnaps, um weitersprechen zu können. Clara schenkte ihm ein Glas Wasser ein und schob es ihm hin. Abwesend trank er davon.
    »Was haben Sie gesehen?«, fragte sie.
    Er überlegte. »Udo Reimers lag im Flur. Ruth saß daneben am Boden. Eigentlich saß sie gar nicht richtig, sie war vollkommen weggetreten und lehnte in der aufgebrochenen Badezimmertür.«
    »Und ihr Bruder?«
    »Der stand einfach da. Wie erstarrt. Er hat sich nicht bewegt. Nicht einmal, als Udo anfing zu stöhnen.«
    »Udo Reimers hat noch gelebt?«, fragte Clara ungläubig. Auch das stimmte nicht mit der Zeugenaussage von Imhofen überein. Nach seinen Angaben war Reimers bereits tot gewesen, als er eintraf.
    Pablo nickte. »Er hat noch gelebt. Sein Kopf war voller Blut, überall war Blut, aber er hat sich bewegt und leise gestöhnt. Ich wollte einen Krankenwagen rufen, aber Johannes hat gemeint, er erledige das schon, und ich solle abhauen, sonst käme ich in Schwierigkeiten. Er würde sich jetzt um seine Schwester kümmern.«
    »Und was haben Sie getan?«, fragte Clara tonlos.
    »Ich bin gegangen.« Pablo beugte sich über den Tisch und sein Gesicht war so nah an Claras, dass sie seinen schalen Atem riechen konnte.
    »Ich bin gegangen! Stellen Sie sich das vor! Und am nächsten Morgen bin ich um halb sieben in den Zug gestiegen und nach Rom gefahren. Ich habe geglaubt, die Polizei würde mir womöglich etwas anhängen, und ich könnte meine Karriere vergessen. Ich hatte Angst um mein erbärmliches Stipendium!«
    Er lachte auf, und Clara konnte seine Verzweiflung hören. Es lief ihr kalt den Rücken hinunter.
    »Ich hatte Angst vor Imhofen. Ich dachte mir, er würde alles tun, um seine Schwester zu schützen, warum dann nicht einfach mir diese Sache in die Schuhe schieben? Es war da so etwas in seiner Stimme, als er sagte, ich solle abhauen, um nicht in Schwierigkeiten zu kommen …«
    Pablo ließ sich wieder zurück auf seinen Stuhl fallen. Dann griff er nach dem Wasserglas und kippte es in einem Zug, als handle es sich um einen doppelten Korn.
    Clara zündete sich eine Zigarette an. Sie bot auch Pablo eine an, und er nahm sie und drehte sie langsam mit den Fingern, bevor er sich von Clara Feuer geben ließ. »Ist schon ein paar Jahre her, dass ich geraucht habe«, meinte er und betrachtete die Zigarette nachdenklich. »Muss es irgendwann einfach vergessen haben.«
    »Und später«, fragte Clara. »Als Sie zurückkamen? Warum haben Sie Ruth nie besucht?«
    »Anfangs habe ich es versucht. Ich war bei Imhofen. Er … hat sich sehr großzügig mir gegenüber gezeigt, hat mich den richtigen Leuten vorgestellt, mir Aufträge verschafft. Ich habe das alles gerne angenommen, dachte, er hätte vielleicht ein schlechtes Gewissen, weil er seine Schwester und uns alle immer nur als peinliche Unruhstifter betrachtet hat. Ich dachte, es stünde mir zu, Erfolg zu haben, immerhin war ich doch ein so großes Talent, ein Ausnahmetalent .«
    Pablos Mund verzog sich vor Abscheu. »Aber irgendwie fühlte es sich trotz allem nicht richtig an. So sehr ich mich bemühte, mir einzureden, alles wäre perfekt, es gelang mir nicht, Ruth zu vergessen. Doch was seine Schwester anging, war Imhofen vollkommen unzugänglich. Ich wusste, dass es keinen Prozess gegeben hat und sie in eine Klinik gekommen ist. Ich war sogar einmal dort, aber sie haben mich nicht zu ihr gelassen. Imhofen sagte mir, sie sei schwer krank, die Drogen hätten sie zerstört. Dabei hat sie eigentlich keine harten Drogen genommen. Hie und da mal Kokain geschnupft, ja das schon, aber nicht im größeren Ausmaß. Aber ich habe nicht nachgebohrt. Wahrscheinlich wollte ich es nicht so genau wissen.
    Eines Tages

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