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Brudermord

Titel: Brudermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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murmelnd.
    Clara sah ihr resigniert nach. In diesem Fall schien sie dazu bestimmt zu sein, im Unklaren gelassen zu werden. Elmar holte sich auch einen Kaffee. »Sie möchten noch etwas besprechen? Der Chef ist leider noch nicht da, aber er muss jeden Moment kommen. Wir können uns ins Büro setzen«, schlug er vor und deutete auf eine Tür im Hintergrund.
    Clara nickte dankbar und stand auf. »Gerne.«
     
    Das Büro entpuppte sich als kleine gemütliche Höhle mit vollgestopften Regalen, Topfpflanzen auf dem Fensterbrett und einem Ikea-Sofa, auf dem Elmar Clara Platz zu nehmen bat. Er selbst setzte sich verkehrt herum auf einen der beiden Bürostühle vor dem Schreibtisch und stützte sich mit den Unterarmen auf die Lehne.
    Claras Aufmerksamkeit richtete sich auf das Poster an der Wand hinter ihm: Es zeigte Frank Zappa nur mit einer roten Unterhose bekleidet, die E-Gitarre im Anschlag, seinen wilden Blick in die Ferne gerichtet. Daneben hing ein schlichtes Holzkreuz. »Ist das das Büro Ihres Chefs?«, wollte sie wissen.
    Elmar nickte »Ja. Pater Romans Refugium.«
    Clara schaute von dem Kruzifix zu Frank Zappa und zurück und meinte dann trocken: »Scheint ein interessanter Typ zu sein.«
    Elmar lachte. »Der ist ziemlich o.k., ja.« Er drehte sich um und warf ebenfalls einen Blick auf das Poster. »Obwohl er nicht ganz meinen Musikgeschmack hat.«
    Clara grinste: »Dafür sind Sie zu jung.«
    »Sie aber auch«, gab Elmar galant, wenngleich nicht ganz glaubhaft zurück.
    Claras Lächeln vertiefte sich, und der Knoten in ihrem Magen begann sich ein wenig zu lockern.
    Elmar drehte sich leicht mit dem Stuhl hin und her und fragte dann zögernd: »Was möchten Sie denn wissen?«
    »Alles«, war Clara versucht zu sagen, doch stattdessen fragte sie: »Kennen Sie Ruth Imhofen gut, wissen Sie über ihren Fall Bescheid?«
    Elmar zuckte die Achseln. »Eigentlich nicht. Pater Roman kümmert sich um sie. Und sie ist ja noch nicht lange hier.«
    »Wie lange bleiben Ihre Schützlinge denn gewöhnlich?«
    »Maximal ein Jahr, das ist die Regel. Wir versuchen ihnen zu helfen, eine Arbeit zu finden, und wenn es geht, auch eine Wohnung, aber das dauert. Und rausgeworfen hat Pater Roman noch niemanden.«
    »Wie werden sie betreut?«
    »Nur so viel, wie notwendig ist. Die Menschen, die hierherkommen, sollen eigentlich lernen, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.«
    »Was heißt das im Fall meiner Mandantin?«, wollte Clara wissen.
    Elmar warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. »Tja, Ruth ist so ein Fall …«, er zögerte. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie nicht etwas anderes als das hier braucht.« Er machte eine ausholende Geste, die das gesamte Haus Maximilian samt Pater Roman und Frank Zappa umfasste, und ließ dann den Arm sinken.
    Clara nickte. Diesen Eindruck hatte sie auch gehabt. »Was fehlt ihr denn eigentlich?«
    Elmar hob erstaunt die Augenbrauen. »Aber … das müssten Sie doch wissen! Ich habe keine Ahnung. Dr. Lerchenberg hat nicht viel darüber gesagt, nur dass sie vorübergehend Unterstützung braucht.« Er verstummte für einen Augenblick und knibbelte mit den Fingern an seinen schiefen Schneidezähnen herum. Dann fügte er erklärend hinzu: »Dr. Lerchenberg ist ein guter Freund vom Chef.«
    »Er war ein guter Freund. Ralph Lerchenberg ist tot, wussten Sie das nicht?«, sagte Clara.
    »Was?« Elmar sah sie entgeistert an. »Ralph ist tot?«
    Clara nickte. Offenbar war sie nicht die Einzige, die nur unzureichend informiert war.
    »Was ist passiert?« Elmar war aufgesprungen und zum Fenster gelaufen. Dort drehte er sich wieder zu Clara um. Seine Hände griffen nervös in seine Hemdtasche, in der sich die Konturen einer Zigarettenschachtel abzeichneten, dann ließ er die Hand wieder sinken, ohne hineinzugreifen. Trotz Frank Zappa herrschte offenbar Rauchverbot in Pater Romans Reich.
    Clara schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht genau. Er hat wohl einen Autounfall gehabt.« Sie stand auf und seufzte: »Eigentlich weiß ich überhaupt nichts. Ich hatte gehofft, Ihr Chef könnte mir weiterhelfen.«
    »Weiterhelfen wobei?«, ertönte eine tiefe Stimme von hinten, und Clara fuhr überrascht herum. In der Tür stand ein Mann, dessen Aussehen vom Bild eines Geistlichen so weit entfernt war wie nur irgend möglich: Er war mindestens eins neunzig und breitschultrig wie ein etwas in die Jahre gekommener Schwergewichtsboxer und füllte den Türrahmen fast vollständig aus. Er trug keine Ordenstracht, sondern Jeans, ein Hemd

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