Brüchige Siege
und
Blech drüben am Penticuff Strip, in der sie hauste. Ihre
›Kinder‹ – Muscles meinte, sie hätte sieben – waren allesamt erwachsen und verheiratet. Alle bis auf ein, zwei Söhne waren
weggezogen, nach Atlanta oder Chicago, und die besagten
Jungs waren nicht der Rede wert, weil sie Kizzy mit ihren
Problemen verschonten oder ihr schlichtweg aus dem Weg
gingen – je nachdem wie man die Sache sah. Kizzys Mann,
den sie immer noch Oliver Bob nannte, war 1921 während der
Kornernte ums Leben gekommen, das heißt unter einen
Karren, den ein hundsgemeiner weißer Farmer gefahren hatte.
Ich machte mich über einen schmutzigen Kessel her, den der
Küchendienst im Spülbecken eingeweicht hatte. Bis zu den
Ellbogen tauchte ich in den Kessel. Über dem Becken konnte
ich durch eine geriffelte Fensterscheibe und den kaputten
Fliegendraht der Veranda sehen.
Dahinter lag der Wagenschuppen. Ein elfenbeinfarbenes
Spalier trug ein Dickicht von Kletterrosen bis unter ein
hochgelegenes Fenster mit einem verzogenen Pfosten und zwei
geborstenen Läden. Da hauste Darius, darunter ein Lagerraum
für Baseballmaterial und darunter die Garage, wo jetzt der
Braune Bomber tickte und gärte. Was machte Darius da oben,
wenn er nicht schlafen konnte – wenn der Ruf eines anderen
Lebens an ihm zerrte – so alarmierend wie ein Feuermelder?
Kizzy sagte: »Ich habe dir doch erzählt, daß Miss Giselle
keine Kinder hat. Das stimmt. Sie hat keine. Sie kann keine
haben. Einmal, vor vierunddreißig, fünfunddreißig Jahren, da
hatte sie mit Mister JayMac ein Kind, ein Mädchen, einen richtigen kleinen Fettkloß, rosarot wie ein frischgewaschener
Regenwurm. Aber Miss Giselle brauchte mehr als einen Tag
dafür, und als das Baby endlich da war, da wollte die
Nachgeburt nicht kommen – das was meine Mama das Drum-
und-Dran nannte.«
Ich ließ meinen Ellbogen schneller rotieren, spitzte aber die
Ohren. Angefangen hatte Kizzy mit der Geschichte, als sie
bemerkt hatte, wie ich durch die geißblättrige Düsternis zu
diesem Fenster spähte.
»Diese Nachgeburt aus Mutterkuchen und Fruchtblase mußte
raus. Jemand mußte sie rausholen, dabei ging es weniger um
das Kind als um Miss Giselle. Das Baby sah prächtig aus, aber
Miss Giselle bekam heiß, eine Art Kindbettfieber, sie glänzte
vor Schweiß. Sie redete wirres Zeug. Trieb mit ihrem Daddy
ein Opossum auf den Baum drüben am Cotton Creek und
wollte immer die beiden kläffenden Hunde beruhigen.
Ruhig! schrie sie. Ruhig, Cherie! Ruhig, Smut! Dann rief sie: Hol die Beutelratte runter, Daddy! Bitte, schieß doch! Ich war damals noch keine Hebamme, aber Dr. Sellers brauchte mich
und Mister JayMac, um Miss Giselle festzuhalten. Wir hielten
sie auf dem Bett, an Armen und Beinen, wie Hilfsarbeiter beim
Schweineschlachten. Sie schlug mit dem Kopf und bäumte
sich, aber wir hielten sie fest. Nicht lange, und sie war heiser und stöhnte nur noch und verdrehte die Augen, bis sie
aussahen wie blinde hartgekochte Eier.
Ich muß diese Nachgeburt holen, meinte Dr. Sellers zu Mister JayMac. Ich kann sie nicht drinlassen wie einen Putzlumpen im Abflußrohr. Er schrubbte sich die Hände mit Seifenlauge und badete sie gründlich in Alkohol, dann setzte er sich zwischen
die Beine von Miss Giselle, um nach dem Mutterkuchen zu
tasten. Er fischte nach dem kaputten Ding und holte es Stück
für Stück heraus – drei, vier Stunden mühte er sich ab.
Doc, sagte Mister JayMac, wenn Sie so weitermachen, bringen Sie sie noch um.
Nicht, wenn Sie still sind und die Lampe so stellen, daß ich was sehen kann, sagte Dr. Sellers.
Erst sah es aus, als ob das Baby wohlauf sei und Miss Giselle
ein Fall für Leichenbestatter und Kirchenchor. Dr. Sellers hatte tief in ihr herumgemacht, und sie war schwach. Es kam aber
ganz anders. Der dicke quirlige Wurm von einem Mädchen
wurde krank und welkte dahin wie ein Kalb ohne Mutter. Es
wurde einfach immer dünner und starb. Mister JayMac
verfluchte den Doktor, zerschmiß Geschirr und führte sich auf
wie Hiob persönlich. Aber Miss Giselle, sie erholte sich, gedieh und blühte auf, bis Mister JayMac ihr sagen mußte, was
passiert war.
Und denke nicht, sie führte sich auf wie Mister JayMac. Ah-
ah. Wie er am Boden zerstört war, das reichte für die ganze
Familie. Miss Giselle litt ihren stillen Frauenkummer, aber sie war tapfer, ließ sich von Leid nicht unterkriegen. Am Anfang
nicht. Dann schwollen Brüste an, als hätte sie
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