Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
Vom Netzwerk:
und
    Blech drüben am Penticuff Strip, in der sie hauste. Ihre
    ›Kinder‹ – Muscles meinte, sie hätte sieben – waren allesamt erwachsen und verheiratet. Alle bis auf ein, zwei Söhne waren
    weggezogen, nach Atlanta oder Chicago, und die besagten
    Jungs waren nicht der Rede wert, weil sie Kizzy mit ihren
    Problemen verschonten oder ihr schlichtweg aus dem Weg
    gingen – je nachdem wie man die Sache sah. Kizzys Mann,
    den sie immer noch Oliver Bob nannte, war 1921 während der
    Kornernte ums Leben gekommen, das heißt unter einen
    Karren, den ein hundsgemeiner weißer Farmer gefahren hatte.
    Ich machte mich über einen schmutzigen Kessel her, den der
    Küchendienst im Spülbecken eingeweicht hatte. Bis zu den
    Ellbogen tauchte ich in den Kessel. Über dem Becken konnte
    ich durch eine geriffelte Fensterscheibe und den kaputten
    Fliegendraht der Veranda sehen.
    Dahinter lag der Wagenschuppen. Ein elfenbeinfarbenes
    Spalier trug ein Dickicht von Kletterrosen bis unter ein
    hochgelegenes Fenster mit einem verzogenen Pfosten und zwei
    geborstenen Läden. Da hauste Darius, darunter ein Lagerraum
    für Baseballmaterial und darunter die Garage, wo jetzt der
    Braune Bomber tickte und gärte. Was machte Darius da oben,
    wenn er nicht schlafen konnte – wenn der Ruf eines anderen
    Lebens an ihm zerrte – so alarmierend wie ein Feuermelder?
    Kizzy sagte: »Ich habe dir doch erzählt, daß Miss Giselle
    keine Kinder hat. Das stimmt. Sie hat keine. Sie kann keine
    haben. Einmal, vor vierunddreißig, fünfunddreißig Jahren, da
    hatte sie mit Mister JayMac ein Kind, ein Mädchen, einen richtigen kleinen Fettkloß, rosarot wie ein frischgewaschener
    Regenwurm. Aber Miss Giselle brauchte mehr als einen Tag
    dafür, und als das Baby endlich da war, da wollte die
    Nachgeburt nicht kommen – das was meine Mama das Drum-
    und-Dran nannte.«
    Ich ließ meinen Ellbogen schneller rotieren, spitzte aber die
    Ohren. Angefangen hatte Kizzy mit der Geschichte, als sie

    bemerkt hatte, wie ich durch die geißblättrige Düsternis zu
    diesem Fenster spähte.
    »Diese Nachgeburt aus Mutterkuchen und Fruchtblase mußte
    raus. Jemand mußte sie rausholen, dabei ging es weniger um
    das Kind als um Miss Giselle. Das Baby sah prächtig aus, aber
    Miss Giselle bekam heiß, eine Art Kindbettfieber, sie glänzte
    vor Schweiß. Sie redete wirres Zeug. Trieb mit ihrem Daddy
    ein Opossum auf den Baum drüben am Cotton Creek und
    wollte immer die beiden kläffenden Hunde beruhigen.
    Ruhig! schrie sie. Ruhig, Cherie! Ruhig, Smut! Dann rief sie: Hol die Beutelratte runter, Daddy! Bitte, schieß doch! Ich war damals noch keine Hebamme, aber Dr. Sellers brauchte mich
    und Mister JayMac, um Miss Giselle festzuhalten. Wir hielten
    sie auf dem Bett, an Armen und Beinen, wie Hilfsarbeiter beim
    Schweineschlachten. Sie schlug mit dem Kopf und bäumte
    sich, aber wir hielten sie fest. Nicht lange, und sie war heiser und stöhnte nur noch und verdrehte die Augen, bis sie
    aussahen wie blinde hartgekochte Eier.
    Ich muß diese Nachgeburt holen, meinte Dr. Sellers zu Mister JayMac. Ich kann sie nicht drinlassen wie einen Putzlumpen im Abflußrohr. Er schrubbte sich die Hände mit Seifenlauge und badete sie gründlich in Alkohol, dann setzte er sich zwischen
    die Beine von Miss Giselle, um nach dem Mutterkuchen zu
    tasten. Er fischte nach dem kaputten Ding und holte es Stück
    für Stück heraus – drei, vier Stunden mühte er sich ab.
    Doc, sagte Mister JayMac, wenn Sie so weitermachen, bringen Sie sie noch um.
    Nicht, wenn Sie still sind und die Lampe so stellen, daß ich was sehen kann, sagte Dr. Sellers.
    Erst sah es aus, als ob das Baby wohlauf sei und Miss Giselle
    ein Fall für Leichenbestatter und Kirchenchor. Dr. Sellers hatte tief in ihr herumgemacht, und sie war schwach. Es kam aber
    ganz anders. Der dicke quirlige Wurm von einem Mädchen

    wurde krank und welkte dahin wie ein Kalb ohne Mutter. Es
    wurde einfach immer dünner und starb. Mister JayMac
    verfluchte den Doktor, zerschmiß Geschirr und führte sich auf
    wie Hiob persönlich. Aber Miss Giselle, sie erholte sich, gedieh und blühte auf, bis Mister JayMac ihr sagen mußte, was
    passiert war.
    Und denke nicht, sie führte sich auf wie Mister JayMac. Ah-
    ah. Wie er am Boden zerstört war, das reichte für die ganze
    Familie. Miss Giselle litt ihren stillen Frauenkummer, aber sie war tapfer, ließ sich von Leid nicht unterkriegen. Am Anfang
    nicht. Dann schwollen Brüste an, als hätte sie

Weitere Kostenlose Bücher