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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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wieder ins
    Tagebuch, das Tagbuch in den Beutel, den Beutel ins Kajak
    und das Kajak wieder unters Bett stopfen sollen, damit ich
    nicht als Schnüffler dastand.
    Hätte sollen, ja, wenn mich nicht eine neckische Laune
    gepackt hätte. Mein Schnüffeln war nichts dagegen, wie er die
    Kameraden und mich hinters Licht geführt hatte. Besonders
    mich. Er gab sich als Mensch aus – sogar als wirchliche
    Person, um es mit Fosdick zu sagen – dabei hatte er das Erbgut einer Schinkenkonserve.
    Ich steckte die Briefe in das Tagebuch zurück, das Tagebuch
    in den Lederbeutel und den Lederbeutel ins Kajak, doch das
    Kajak ließ ich da, wo es lag. Als Ohrfeige für den Hochstapler.
    Jumbo kam ins Zimmer. »Hallo, Daniel. Ist ja infernalisch
    heiß hier oben. Warum bist du nicht…?« Er sah das Kajak.
    Und die Grasmatte, die ich nicht mal versucht hatte, wieder ins Sitzloch zu stopfen. Er sah mich scharf an. Ich sah ihn ebenso scharf an, frech wie ein Türspalt. Lügner!
    Jumbo seufzte und zog den mit Elfenbeinperlen
    strangulierten Lederbeutel aus dem Kajak. Er befreite das
    wolkige Tagebuch aus dem Beutel. Die Briefe fielen heraus.

    Das Zierband, das sie zusammenhielt, saß so locker – beim
    Fallen löste sich der Knoten –, daß Jumbo sofort Bescheid
    wußte: Ich hatte meine Nase hineingesteckt. Er machte keine
    Anstalten, die Briefe aufzuheben.
    Statt dessen schlug er das Tagebuch auf. Hielt es wie ein
    Gesangbuch mit der einen Hand und leckte den Zeigefinger
    der anderen, um die Seiten umzuschlagen. Er tat das drei- oder viermal. Er beäugte die Rinne zwischen den Seiten,
    schnupperte daran und machte ein Gesicht, das an Quasimodo
    mit Halloweenmaske erinnerte. Dann pustete er in das
    Tagebuch, und zwischen uns regnete es Zigarettenasche.
    Er wußte Bescheid. Ich wußte Bescheid. Wir wußten beide
    Bescheid.
    »Aha«, sagte Jumbo. Er setzte sich auf die Bettkante und
    starrte an mir vorbei aus dem Fenster.
    Vielleicht hätte ich das Weite suchen sollen. Ein nicht
    menschlicher Unmensch hatte mich auf frischer –
    genaugenommen mittelfrischer – Tat ertappt, und zwar wie ich
    seine persönlichen Sachen durchwühlt hatte. Es lag auf der
    Hand, daß er am liebsten Kleinholz aus mir gemacht hätte.
    Doch ich bekam es einfach nicht mit der Angst. Wir hausten
    nun schon einen Monat auf dieser Bude. Als Hellbender hatte
    er mich nicht enttäuscht, ich hatte ihm Dutzende weite Würfe
    quer über das Infield anvertraut. Wir hatten zusammen
    gegessen, und ich hatte gelauscht, wenn er im Schlaf die Laute einer Rundschwanzseekuh imitierte. Er war mein
    Zimmerkamerad. Außerdem war ein nicht menschlicher
    Unmensch, der persönliche Papiere wie seinen Augapfel
    hütete, ein Widerspruch in sich. Nicht menschliche
    Unmenschen schreiben gewöhnlich keine Memoiren. Wenn
    doch – wie meinetwegen in Mein Kampf oder The Enemy Within – dann beschreiben sie sich nicht als Unmenschen, Dämonen, Scheusale, Menschenfresser oder bedauernswerte
    Kreaturen.
    »Ich muß schon sagen, du hättest den Nachmittag nicht
    besser nutzen können.« Jumbo legte das Tagebuch auf seine
    Knie und blätterte weiter. »Du enttäuschst mich nicht. Ich hatte gehofft, daß deine Neugier siegen würde. Wie jeder andere,
    Daniel, wünsche ich mir nichts sehnlicher als eine verwandte
    Seele. Einen Freund.«
    Wie bitte? Hatte Jumbo soeben gemeint, weil ich in seinen Sachen geschnüffelt hatte, da würde er mich als Freund
    betrachten?
    »Ich wollte, daß du das Kajak findest«, sagte er. »Und ich war zuversichtlich, du würdest der Verlockung nicht
    widerstehen, es eingehender zu untersuchen, auch und vor
    allem seinen Inhalt. Ich hatte lediglich Angst, daß überzogene Bedenken dich hindern könnten, die Geheimnisse meiner
    Habseligkeiten zu lüften.«
    Überzogene Bedenken? Meinte er Aufrichtigkeit?
    »Was du heute nachmittag getan hast, verschafft mir große
    Erleichterung. Nun brauche ich meine Herkunft nicht mehr zu
    verleugnen, nicht mehr zu lügen. Danke, Daniel, daß deine
    Neugier stärker war als dein Charakter.«
    Das gefällt mir, dachte ich.
    Oder überschüttete er mich bloß mit Sarkasmus? Ich hatte
    nicht den Eindruck. Er pochte in das Tagebuch auf seinem
    Schoß. »Wie weit bist du gekommen?«
    Ich zuckte die Achseln.
    Jumbo legte das Tagebuch beiseite und stand auf. »Das
    Karloff-Festival in LaGrange war ein glücklicher Zufall.
    Obwohl mir diese Filme im Grunde weh tun, wollte ich, daß
    du sie siehst, denn ich hatte mir vorgenommen – so

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