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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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soll besser abschneiden als Danny.«
    Meine Ma, der John L. Lewis* unter den Baseball-Agenten.
    Alles, was ihr fehlte, waren Johns Augenbrauen. Mister
    JayMac zerriß den Scheck, und ich hätte fast meine Zunge
    verschluckt. Lauter Fetzen. Meine ganze Karriere.
    »Mrs. Boles, Sie kennen kein Pardon.« Mister JayMac nahm
    den Vertrag wieder an sich. »Ich erhöhe um fünfundzwanzig

    und schicke Ihnen beiden einen neuen Vertrag. Vergessen Sie
    den hier, Mrs. Boles.« Endlich sah er mich an. »Wir schicken
    dir ein Ticket. Du kommst, sowie du dein Diplom hast,
    verstanden?«
    Ich wollte antworten. Ich wollte sagen: »Jawoll, Sir«, doch es
    ∗
    hörte sich an wie das Vaterunser auf Gullah.
    Wie versprochen kam zwei Wochen später der neue Vertrag.
    Ma und ich unterschrieben beim Notar mit Coach Brandon und
    den Elshtains als Zeugen. Zwei, drei Tage später verkündete
    Mr. Ogrodnik mein Glück in der Sporthalle. Die Kids ließen
    mich hochleben, unter
    ihnen hübsche Mädels und
    Angebertypen. Hätte ich den Schneid gehabt, hätte ich die
    Hälfte der Heuchler in die Luft gejagt, obwohl ich sagen muß,
    daß mir der Jubel gefiel.
    Franklin Gooch nannte mich einen glücklichen Bastard. Als
    wir den Krieg gewonnen hatten, kehrten Burschen wie
    DiMaggio, Williams und Greenberg heim und die
    daheimgebliebenen Ersatzspieler verschwanden spurlos von
    der Bildfläche. Nur echte Talente überlebten.
    »Du«, sagte Goochie, »bist ein echtes Talent.«
    Goochie war schon achtzehn. Im Frühjahr ‘42 war der
    jüngere Bruder seiner Mutter auf dem Kreuzer Houston ums Leben gekommen – das war bei der Schlacht in der Javasee*
    gewesen. Goochie wollte zur Marine gehen, um ein paar Japse
    zu skalpieren. Goochie gönnte mir meinen Start im Profi-
    Baseball, war zwar neidisch, nannte mich aber keinen
    Drückeberger. Er hatte ein anderes Eisen im Feuer; zu dumm,
    daß es ihn in die Hände der Grabregistratur auf Okinawa trieb.

    ∗ gemeint ist das Englisch, wie es die in den Küstenregionen von South Carolina, Georgia und Nord-Ost-Florida lebenden Schwarzen sprechen 3

    DIE EISENBAHN NAHM KEINE NOTIZ von Tenkiller. Also bestieg
    ich den Zug in Tahlequah. Mister JayMac hatte mir das Ticket
    geschickt.
    An der geteilten Windschutzscheibe von Colonel Elshtains
    Auto steckte eine C-Zuteilung für Sprit – angeblich weil sein
    Job bei Deck Glider so wichtig für die nationale Verteidigung
    war. In Wirklichkeit, glaube ich, hatte er Freunde im
    Kriegsministerium, die wiederum Leute im
    ∗
    Preisüberwachungsamt kannten. Egal, mit diesem C-Schein
    bekam er soviel Sprit, wie er haben wollte, und er und Miss
    Tulipa brachten Ma und mich in dem 1939er Hudson Terra-
    plane zum Bahnhof nach Tahlequah. (Das Auto war ein Traum
    aus Chrom und Elfenbein. Es hatte sogar Radio.) Mein Gepäck
    bestand aus einem Seesack voller Kleidung. Der Griff meines
    Lieblingsschlägers – ich hatte ihn von Coach Brandon
    bekommen – ragte aus der Verschnürung, und der Sack steckte
    im Kofferraum des Hudson. Hinten auf dem Rücksitz neben
    Mama kam ich mir teilweise vor wie ein reicher Pinkel und
    teilweise wie ein Mörder, den man stilvoll zum Galgen
    chauffierte.
    Auf dem Bahnsteig machte Mama eine gallenbittere Miene.
    In Wahrheit kniff sie die Lippen bloß zusammen, um nicht
    loszuheulen. Ich war froh, daß sie sich so zusammennahm.

    ∗ Kriegsministerium (Departement of War) und Preisüberwachungsamt (Office of Price Administration) gab es nur bis 1947.

    Kein Siebzehnjähriger wollte, daß seine Mama ihn vor aller
    Welt mit Tränen überschüttete. Und der Bahnhof wimmelte
    vor Menschen. Tahlequah sah aus wie Tulsa.
    Rekruten in Zivil, die nach Camp Gruber oder Fort Sill
    wollten. GIs, die aus dem Urlaub kamen, auf dem Rückweg
    nach Chaffee, Benning, Polk oder Penticuff. Pappkoffer und
    Seesäcke. Die Eltern und Mädchen zwischen den albernden
    Rekruten und Soldaten. Alle diese Burschen benutzten die
    normalen Personenzüge und nicht die Schnellzüge für den
    Truppentransport. Zivilisten wie mich konnte man an den
    Fingern abzählen.
    Einige GIs schlängelten sich ziellos durch den roten
    Ziegelsteinbau. Trupps von Kameraden. Manchmal blieben sie
    in unserer Nähe stehen und besahen mich von oben bis unten.
    Ich war nur Zielscheibe für ihren Spott – Soldaten aus rosa
    Mäusespeck waren Tretminen. Kaum auszudenken, mit diesen
    rüden Flegeln in einem Abteil zu sitzen. Die mit den Streifen
    am Ärmel machten mir die meiste Angst; ich

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