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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Bishop
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ich.«
    »Phoebe«, sagte Miss LaRaina müde.
    »Mama hat sich gebessert, mein Lieber. Sie konsultiert jetzt
    diesen richtig süßen Nußlöffel von der Army draußen im
    Camp.«
    Nußlöffel?
    »Phoebe«, sagte Miss LaRaina wieder.
    »Na ja, er hat geholfen – dein freundlicher Kopfdoktor hat
    geholfen. Er hat es fertiggebracht, daß du dich entspannst, daß du über Daddy und mich nachdenkst, und daß du dich ein
    wenig mehr deinem Heim widmest.«
    »Ich habe nie nicht an euch gedacht, Phoebe. Aber ich habe vermutlich mehr an mich gedacht und die entsetzlich
    ungerechte Platzverteilung in diesem furchtbaren Krieg.«
    Ungerechte Platzverteilung?
    »Aber das will Danny doch nicht hören«, sagte Miss
    LaRaina. »Wir sind gekommen, um ihn aufzumuntern, sein
    Leid zu teilen, und nicht um eine rührselige Episode von
    ›Captain Pharrams Familie‹ aufzuführen.« Sie schnippte eine
    Lucky Strike aus der Packung. »Was dagegen, wenn ich
    rauche, Danny? Es beschäftigt meine Hände und zwirbelt
    meine ausgefransten Nerven zusammen.«
    »Wenn ich auch eine kriege«, sagte ich.
    Phoebe nahm eine Zigarette ihrer Mutter, steckte sie mir
    zwischen die Lippen und gab mir Feuer. Ich badete meine
    Lungen im Rauch und blies einen ganzen Stapel wabernder
    Donuts in die Luft. Das plötzliche Hochgefühl, das mir der
    Lungenzug vermittelte, das Gefühl zu schweben, ließ mich für

    kurze Zeit das Pochen in der Hüfte und den Brand in der Leiste vergessen. Tabak ist Opium fürs Volk.
    »Wie kommt es, daß Mister JayMac noch nicht hier war?«
    Das Schweigen, das Phoebe und ihre Mama verbreiteten,
    toste wie die Niagarafälle.
    »Na, wie viele topplastige Schwestern waren denn hier und
    haben dich in den Po gepiekst?« fragte Phoebe unvermittelt.
    »Fünf oder sechs. Die geben sich die Klinke in die Hand. Ich
    hab aufgehört mit Zählen.«
    »Phoebe«, sagte Miss LaRaina müde.
    »Ach, komm Mama. Dein Doktor hat nicht gesagt, du sollst
    dich an die Kirchenbank ketten. Nur Verantwortung sollst du
    zeigen.«
    »Phoebe, ich fände es besser…«
    Ich blies einen Rauchring und fiel ihr ins Wort: »Wieso hat
    mich Mister JayMac noch nicht besucht?«
    Phoebe und ihre Mama zogen wieder ihre Raus-mit-dem-
    Schweigen-Nummer ab. So wie Mariani, wenn er eine
    Spaghetti um die Gabelzinke wickelte, so wickelte Phoebe
    meine Stirnlocke um den Finger. Die Asche an Miss LaRainas
    Zigarette wuchs inzwischen wie Pinocchios Nase. Ich wartete.
    »Wir haben einen unerwarteten Verlust zu beklagen«, sagte
    Miss LaRaina. »Danny, du mußt wissen, Miss Giselle ist tot.
    Sie ist entweder ganz spät in der Nacht oder sehr früh heute
    morgen gestorben.«
    »Himmel. Hat Mister JayMac sie erschossen?« (Weil sie Frye
    das mit den Phillies gesteckt hatte? Wegen ihres sündigen
    Techtelmechtels mit Henry? Und wenn letzteres, wie war
    Mister JayMac dahintergekommen?)
    »Ah-ah«, sagte Phoebe. »Miss Giselle hat sich selbst
    umgebracht.«
    »Wie? Warum?« Vielleicht kannte ich ja die Antwort auf
    mindestens eine der Fragen, aber ich brauchte eine

    Bestätigung. Nein, ich brauchte das Gegenteil, ein Lüge, die
    sagte, daß mein Zimmerkamerad unschuldig war. Jetzt
    dämmerte mir auch, wieso Phoebe und Miss LaRaina jedesmal
    diesen Anfall von Stummheit erlitten hatten, wenn ich die
    Sprache auf Miss Giselle gebracht beziehungsweise nach
    Mister JayMac gefragt hatte. Jemand hatte ihnen geraten, mir
    nach Dr. Nesheims Hiobsbotschaften nicht auch noch diese
    zuzumuten.
    »Was ist mit Henry? Geht es ihm gut?«
    Wieder wechselten Phoebe und ihre Mama diesen stummen
    Auweia-Blick.
    »Was ist mit ihm?« wollte ich wissen.
    »Ihm geht es gut«, sagte Miss LaRaina rasch. »Eigentlich
    ganz gut, doch.«
    »Ah-ah«, sagte ich. »Das hab ich nicht verdient. Raus mit der
    Sprache.«
    »Hör ihn dir an, Mama«, sagte Phoebe. »Er stottert nicht
    mehr, er ist fast völlig geheilt.«
    »Phoebe, entweder ›fast‹ oder ›völlig‹, aber nicht beides«,
    sagte ich.
    »Tja, du hast recht«, sagte Miss LaRaina. »Er redet schon wie
    Demosthenes.« Sie staunten mich an.
    »Ich will wissen, was mit Henry los ist. Spuckt es aus!«
    Miss LaRaina sagte: »Als er hörte, wie schlimm Buck Hoey
    dich verletzt hat, da ist er fort und hat seinen Kummer in
    Alkohol ertränkt.«
    »Gestern war Sonntag«, sagte ich. »Und Henry trinkt nicht.«
    »Normalerweise nicht«, sagte Miss LaRaina. »Aber diese
    Sache mit dir hat ihn fix und fertig gemacht, und ich kenne
    keinen Hellbender, der, wenn er

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