Brüchige Siege
eine Flasche sucht, keine
findet. Reese – Mr. Curriden – hält immer zwei, drei auf
seinem Zimmer unter Verschluß. Er gibt auch ab. Bunkern ist
nicht seine Sache, nicht mal in diesen knappen Zeiten.«
»Mama«, sagte Phoebe und besah sich ihre Schuhe.
»Schon gut, mein Kind. Major Blumlein meint, ich soll zu
meinen Fehltritten stehen und sie nicht unter den Teppich
kehren.«
»Er hat nicht gesagt, du sollst sie vor Daddy ausbreiten.«
»Dein Daddy ist nicht hier.« Miss LaRaina sah sich suchend
um. »Dieser junge Mann da hört auf Danny, nicht auf Daddy,
und ich halte ihn für ebenso ritterlich wie verschwiegen.« Sie blies den Rauch seitwärts und hielt die Zigarette in der Art von Bette Davis*. »Hab ich recht?« fragte sie mich.
»Jawoll, Ma’am.«
»Also gut. Henry läßt sich entschuldigen.«
»Kommt er noch vorbei, bevor er nach Philadelphia fährt?«
»Das muß er mit sich und dem Fahrplan ausmachen.« Miss
LaRaina lächelte und tat noch so einen sexy anmutenden Zug
am Stummel ihrer Lucky. Sie fing eine halbe Fingerlänge
Asche im Handteller und beförderte sie in die Terrakottavase
mit Flieder und Hortensien, die am Boden stand.
Wir redeten noch zehn oder fünfzehn Minuten, hauptsächlich
über Miss Giselle
– ihre Großzügigkeit, ihre
Liebenswürdigkeit und wie sie sich für Mister JayMac und die
Hellbender aufgeopfert hatte. Dann meinte Miss LaRaina, ich
sähe spitz aus. Sie und Phoebe würden jetzt wohl besser gehen.
Das Pflegepersonal wolle nicht, daß man mich überfordere.
»Dann sollen sie sich schriftlich an ihren
Kongreßabgeordneten wenden«, sagte ich. »Seht mich an, ich
bin so kräftig, daß ihr hier übernachten könnt.«
»Nicht, wenn wir dich aufregen«, sagte Miss LaRaina.
»Aufregung nimmt dich mehr mit als ein
Dreitausendmeterlauf.«
Phoebe küßte mich auf die Stirn. »Ich komme wieder. Jeden
Tag, bis du hier wieder raus bist.«
Einen Moment lang hielt ich ihre Hand fest, dann schlüpfte
Phoebe zur Tür. »Miss LaRaina, lassen Sie Ihre Zigaretten
hier, okay? Sie haben sicher mehr davon.«
Miss LaRaina kam ans Bett zurück und legte mir die Packung
auf den Bauch.
»Wann ist das Begräbnis?« fragte ich sie. Als sie mich bloß
anstarrte, als habe sie einen früheren Teil der Unterhaltung
vergessen, fügte ich hinzu: »Das von Miss Giselle.«
»Oh. Morgen, am Alligator-Park. Ein Gedenkgottesdienst.
Keine Beerdigung. Der Leichnam wird eingeäschert.«
»Ich kann nicht kommen«, sagte ich. »Ich käme gern, aber
ich…« Ich ließ meine Kippe in das Wasserglas auf dem
Nachttisch fallen und sah zu, wie sie zischelte und sich
vollsog. Miss Giselle tot. Henry überfällig. Meine Karriere
durch schwere Verletzungen vereitelt. Das Gewicht von soviel
Schiffbruch preßte mir Tränen ab. »Okay. Geht nur. Laßt mich
in Ruhe.« Ich fummelte eine neue Zigarette zutage und ließ sie mir von Phoebe anzünden – um zu verhindern, daß sie mir aus
Mitgefühl einen feuchten Kuß aufs Auge pflanzte. Die beiden
gingen zur Tür.
»Streichhölzer!« rief ich ihnen nach. »Bitte.«
Phoebe warf sie mir aufs Bett, was aus dieser Entfernung gar
nicht so leicht war, und dann war ich wieder allein.
Bis zu meiner Entlassung am siebenundzwanzigsten
September kam Phoebe mich, wie versprochen, jeden Tag
besuchen, meist nachmittags nach der Schule. Das Ende der
CVL-Saison brachte es allerdings mit sich, daß ich zuletzt nur noch ein, zwei weitere Besuche pro Woche bekam, denn die
meisten Kameraden kehrten in ihre Heimatorte oder zu ihren
Farmen zurück, oder machten sich auf, um Winterjobs in
Schiffswerften, Munitionsfabriken oder Bomberwerken zu
übernehmen. Nutter, Hay, Sloan, Sudikoff und Fanning
blieben in Highbridge und jobbten bei Foremost Forge oder Highbridge Box & Crate – aber nur Nutter kam mich wirklich richtig besuchen und brachte gewöhnlich ein Bündel Zeitungen
mit und ›Carl den Unermüdliche‹ seinen fünfjährigen Knirps,
und hatte immer eine – für mich – neue Anekdote aus seiner
Zeit bei den St. Louis Browns auf Lager.
Mister JayMac besuchte mich sonntags um fünfzehn Uhr und
blieb, wenn es hoch kam, fünfzehn Minuten. Er brachte nie die
Sprache auf Miss Giselle, Darius oder Henry und beschränkte
sich darauf, sich nach meinen Fortschritten zu erkundigen oder Entscheidungen des alliierten Kommandos in Italien oder auf
den Salomon-Inseln zu kritisieren. Immerhin hatte er Mama
Laurel angerufen und ihr meine
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